Theorie und Praxis

Das Vier-Phasen-Modell

Ein Artikulationsschema für den kompetenzorientierten Religionsunterricht an beruflichen Schulen. Von Christian Back 

Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) formuliert in den überfachlichen Kompetenzen Folgendes: „Kompetent ist eine Person, wenn sie bereit ist, neue Aufgaben- oder Problemstellungen zu lösen, und dieses auch kann. Hierbei muss sie Wissen bzw. Fähigkeiten erfolgreich abrufen, vor dem Hintergrund von Werthaltungen reflektieren sowie verantwortlich einsetzen.“ (1) Die Trias von Problemlösen, Verantwortung und Handeln ist wesentlicher Bestandteil des kompetenzorientierten Religionsunterrichts.

Das im Folgenden vorgestellte Vier-Phasen-Modell ist ein Artikulationsschema für den kompetenzorientierten Religionsunterricht und hat zum Ziel „Schülerinnen und Schüler zu eigenständigem Denken und Handeln anzuregen, indem sie zielbezogen eine vorgefundene oder selbstgestellte Aufgabe bearbeiten und lösen“. (2) Grundsätzlich folgt das Vier-Phasen-Modell (3) dem natürlichen Denkprozess des Menschen, wenn dieser vor einer neuen Aufgabe bzw. Herausforderung steht. Es gliedert sich in vier Phasen: der Eröffnungsphase, der Erarbeitungsphase, der Zusammenführung und der Vertiefung. Zwischen den Phasen befinden sich Übergänge, die der Reflexion dienen.

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Phase 1: Eröffnung

In der ersten Phase soll bei den Schülerinnen und Schülern das Interesse für eine Aufgabe, Frageoder Problemstellung mit dem Ziel geweckt werden, dass das zu behandelnde Thema zu ihrem Thema wird. Berührt es die Jugendlichen, hat es etwas mit ihrem Leben, mit ihren Anfragen und Erwartungen ans Leben zu tun und spiegelt es ihre Lebenswelt wider, so wächst deren Bereitschaft zur Mitarbeit und zum Mitdenken. Grundsätzlich dient diese Phase der Einführung, der Motivation und der Orientierung. Am Ende von Phase 1 steht schließlich eine Aufgabe oder Problemstellung, die im Idealfall von den Schülerinnen und Schülern selbst formuliert wird. Diese präzise formulierte Aufgabe oder Problemstellung bildet die Basis für das weitere Vorgehen. (4)

Übergang zu Phase 2

Für das kompetenzorientierte Unterrichten sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen von wesentlicher Bedeutung. Schülerinnen und Schüler sollen in der Übergangsphase zu Phase 2 dahingehend reflektieren, dass sie sich ihres Vorwissens bewusst werden und sich überlegen, wie sie zu einer Lösung der Problemstellung gelangen können. 5 Unterstützende Fragen der Lehrkraft in dieser Phase können beispielsweise sein: „Was wissen Sie bereits zur Thematik? Was ist Ihnen unklar? Welche Fachleute können Ihnen weiterhelfen? Woher bekommen Sie verlässliche Informationen?“. Antworten seitens der Jugendlichen wie beispielsweise „Ich frage Google“ genügen hier selbstverständlich nicht. Es muss gegebenenfalls im Vorfeld zeitlich in Thematiken wie z. B. „Woran erkennt man seriöse Quellen?“ investiert werden. Letztendlich wird in diesem Übergang u. a. die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler im Fach Religion gefordert und gefördert.

Phase 2: Erarbeitung

In Phase 2 „sollen mit geeigneten Methoden und Medien die Aufgabe oder Problemstellungen begründet gelöst werden, so dass ein Kompetenzzuwachs möglich wird“. (6) Die Schülerinnen und Schüler arbeiten aufgabenorientiert und eigenverantwortlich, „um zu ersten begründeten Positionierungen zu gelangen“. (7) Grundlage für den Erfolg ist, dass Ziel, Inhalt, Methode und Sozialform sachlich zusammenhängen. Beispielsweise bietet sich bei einer Textanalyse zunächst eine Einzelarbeit an, vorausgesetzt die Jugendlichen sind mit diesem Verfahren vertraut. Eine fächerübergreifende Zusammenarbeit ist hier unerlässlich. Im Anschluss können die individuellen Ergebnisse in einer Partneroder Gruppenarbeit abgeglichen und diskutiert werden, wodurch eine gedankliche Durchdringung der Inhalte gewährleistet wird und sich möglicherweise neue Problemstellungen auftun. (8) Letztlich stehen in der Erarbeitungsphase das Informieren, das Durchführen, das Entwickeln und das Lösen im Mittelpunkt.

Übergang zu Phase 3

In dieser Übergangsphase reflektieren die Jugendlichen ihr Vorgehen in der Erarbeitungsphase, inwieweit sie die Aufgabe, Frageoder Problemstellung beantwortet haben, welche fachlichen bzw. gruppendynamischen Schwierigkeiten dabei aufgetreten und wie sie mit diesen umgegangen sind. Fragen von Seiten der Lehrkraft können sein: „Wie sind Sie vorgegangen, um die Ausgangsfrage der Stunde zu beantworten? Wiehaben Sie das Ziel erreicht? Welche Schwierigkeiten traten in der Erarbeitungsphase auf? Wie sind Sie mit diesen umgegangen?“. Die Schülerinnen und Schüler können durch diese Reflexion im Plenum z. B. Anregungen für ihr zukünftiges Vorgehen beim Erarbeiten von Problemstellungen erhalten bzw. ihr Vorgehen bestätigt sehen.

Phase 3: Zusammenführung

In dieser Phase werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen und gesichert. Beispielsweise werden die Teilergebnisse aus den verschiedenen Arbeitsaufträgen der Gruppen im Plenum präsentiert. Die Schülerinnen und Schüler können somit die unterschiedlichen „Perspektiven auf einen Sachverhalt erkennen“. (9) Wesentlich ist in dieser Phase neben der Sicherung der Ergebnisse „das Einüben von Austausch und Rückmeldung und die Prüfung der Relevanz des Erarbeiteten im Hinblick auf die Aufgabe, Frage- oder Problemstellung“. (10)

Übergang zur Phase 4

In der letzten Übergangsphase steht die Relevanz des Erlernten für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler im Fokus. Mögliche Fragen seitens der Lehrkraft können sein: „Welche Auswirkungen haben die Ergebnisse für Ihr Handeln? Was war für Sie neu? Was war für Sie besonders interessant? Welche neuen Fragen haben sich aufgetan? Worüber würden Sie gerne mehr erfahren? Woran möchten Sie weiterarbeiten?“ Die Beantwortung dieser Fragestellungen stellt einen fließenden Übergang zu Phase 4 dar.

Phase 4: Vertiefung

In der Vertiefungsphase wird das Gelernte in neue Zusammenhänge gebracht. Die Schülerinnen und Schüler können in dieser Phase zeigen, ob sie „Arbeitswege und Arbeitsergebnisse wirklich begriffen haben und wissen, warum die einzelnen Schritte gegangen worden sind“. (11) Des Weiteren „wird der individuelle Kompetenzzuwachs verdeutlicht, der sich vor allem im Weiterfragen und Weiterdenken auf Basis des Erarbeiteten zeigt“. (12)

Ziel des Vier-Phasen-Modells ist es, das eigenständige Denken und Handeln der Schülerinnen und Schüler anzuregen und sie zu befähigen, die Aufgabe, Frage- oder Problemstellung kompetenzorientiert zu bewältigen. Dabei ist es zwingend erforderlich, die einzelnen Phasen dem Lerntempo der jeweiligen Klasse anzupassen. Dieses Artikulationsschema muss also nicht in einer Unterrichtsstunde abgearbeitet werden. Wichtig ist es jedoch, dass am Ende einer Stunde nicht eine Phase unvollendet bleibt, weil sonst den Schülerinnen und Schülern der Einstieg in die nächste Unterrichtsstunde erschwert wird. Diese zeitliche Flexibilität des Modells bietet ihnen genügend Raum zum Einbringen persönlicher Erfahrungen, Interessen und Fragen. Der strukturelle Rahmen des Modells hilft den Jugendlichen, zielgerichtet die Frage- bzw. Problemstellung zu bearbeiten und Konsequenzen für ihr eigenes Handeln im Alltag abzuleiten. Unseren Erfahrungen nach benötigen die Schülerinnen und Schüler eine Zeit lang, bis sie sich an die für sie neue Arbeitsweise gewöhnt haben. Orientiert man sich an ihrem Tempo und führt sie behutsam sukzessive ans Vier-Phasen-Modell heran, so arbeiten sie letztlich selbständig, motiviert und reflektiert.

Endnoten:

(1) Überfachliche Kompetenzen einschätzen und entwickeln – unterstützt durch Kompetenzraster. Handreichung beruflicher Schulen. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hg.). München 2016, 6.

(2) Materialien für den Religionsunterricht an Fachoberschulen und Berufsoberschulen zum LehrplanPLUS. Katholisches Schulkommissariat in Bayern (Hg.). München 2018, 4.

(3) Zum Vier-Phasen-Modell vgl. auch Herget, F., u.a., Grundsätze der Kompetenzorientierung im Religionsunterricht: RPZ-Impulse extra 2015, München 2015, 7–11.

(4) Vgl. Materialien für den Religionsunterricht an Fachoberschulen und Berufsoberschulen zum LehrplanPLUS. Katholisches Schulkommissariat in Bayern (Hg.). München 2018, 5.

(5) Vgl. ebd.

(6) Ebd.

(7) Ebd.

(8) Vgl. ebd.

(9) Ebd., 6

(10) Ebd.

(11) Ebd.

(12) Ebd.

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