Theorie und Praxis

Die Struktur menschlicher Erfahrung und ihre Bedeutung für guten Religionsunterricht

Zur Qualität des Methodenwechsels. Von Boris Kalbheim.

  1. Einleitung

Religionsunterricht soll verständlich sein, attraktiv, zielführend und bedeutsam. Doch oft gilt der Religionsunterricht als das berüchtigte „Laberfach“ (Obenauer 2014, 9), in dem alles Mögliche beredet wird, vielleicht sogar zerredet wird. Dagegen sollen innovative Methoden helfen, Filme, Bilder, Bewegungen zum Beispiel, und es werden immer wieder neue Ideen veröffentlicht, in Büchern und Zeitschriften oder online.

So interessant viele dieser Ideen sind, sie können zu einem Aktionismus führen, bei dem die Methode zum Selbstzweck wird. Dabei sind die Methoden mehr als eine Hülle des Unterrichtsinhaltes; Methoden sind dasjenige, was den Lernenden im Unterricht ganz direkt begegnet: Die Bibel und die Aufgabe „Sucht die Bibelstelle“, das Bild, das an die Wand projiziert wird, mit der Aufgabe „Beschreibt das Bild“ oder die Eglifigur in Verbindung mit einem stummen Impuls. Diese Kombination von Medium und Auftrag bezeichnet dies Methode und macht für die Lernenden den Unterricht aus, und eine Veränderung der Methode, das heißt des Mediums oder des Auftrages, bedeutet, dass ein neuer Schritt im Unterricht beginnt, etwa eine Erarbeitung nach der Problemstellung.

Allgemein gilt es als guter Unterricht, wenn unterschiedliche, vielfältige Methoden genutzt werden. R. Brandl (2001, 28) zitiert eine Idealvorstellung von fünf Methodenwechseln pro Stunde, und wenn man Rituale zu Beginn und zum Ende des Unterrichtes sowie eine Aktualisierung zu Problemstellung, Erarbeitung und Sicherung hinzuzählt, dann scheint diese Zahl leicht erreichbar zu sein.

Doch bedeutet die Anzahl von unterschiedlichen Medien und Aufträgen in einer Schulstunde, der regelmäßige Wechsel von Methoden auch, dass der Unterricht ertragreich ist? Wenn dem so wäre, könnte gerade der Religionsunterricht ein spannender, abwechslungsreicher Unterricht sein, aber woher kommt dann sein schlechtes Image? Das liegt vielleicht daran, dass Methodenwechsel unterschiedliche Qualität haben: Ist zum Beispiel der Wechsel von einem Begrüßungsritual zur Abfrage der Ergebnisse der Vorstunde ein starker Methodenwechsel? Ist eine inhaltliche Vertiefung durch einen Text nach einem Lehrer-Schüler-Gespräch anregend, weil die Lehrkraft von einer gruppenorientierten zu einer individuellen Arbeitsform wechselt? Beide Beispiele stellen zwar Methodenwechsel dar, sie erscheinen jedoch nicht als starke Methodenwechsel in dem Sinne, dass die Schüler und Schülerinnen durch die Veränderung aktiviert werden, dass sie neue Kraft finden und ihr Interesse bis zum Ende des Unterrichtes aufrechterhalten.

Unterrichtsbeispiele arbeiten vor allem mit dem Wechsel von Einzel- und Gruppenarbeit oder mit dem Wechsel von lehrerzentrierten und schülerzentrierten Arbeitsformen (etwa Lemaire u.a. 2016). Doch solche Vorschläge nennen nur die Rhythmisierung des Unterrichtes als Gründe für den Methodenwechsel. Daneben bedarf es einer Reflexion der Qualität des Methodenwechsels: Wie können Methoden so aufeinander aufbauen, dass dieser Wechsel die Lernenden motiviert und sie gleichzeitig darin unterstützt, das Ziel des Unterrichtes sicher zu erreichen?

Für diese Reflexion bedarf es eines Kriteriums, mit denen die unterschiedlichen Methoden ohne Rekurs auf den Unterrichtsinhalt miteinander verglichen werden können. Dieses Kriterium, so die These der vorliegenden Reflexion, kann man finden, indem man die Bedeutung der Methoden für die Begegnung der Lernenden zu ihrer Umwelt betrachtet. Aus der Reformpädagogik ist die Sentenz überliefert, dass Lernen mit Kopf, Herz und Hand vor sich geht, und damit sind metaphorisch drei Aspekte der Beziehung von Menschen zu ihrer Umwelt benannt: Die sinnliche Erfahrung, die emotionale Reaktion und das rationale Verständnis. Unterrichtsmethoden können somit danach betrachtet werden, welchen Aspekt dieser Beziehung des Menschen zur Umwelt sie akzentuieren, und damit können auch Methodenwechsel qualitativ bewertet werden. Im folgenden Kapitel soll diese Struktur der Beziehung zur Umwelt entfaltet und in Bezug zu unterschiedlichen Methoden gesetzt werden, danach werden einige Beispiele vorgelegt, wie durch adäquate Methoden unterschiedliche, miteinander korrespondierende Bezüge zur Welt aktiviert werden können.

  1. Die Begegnung mit der Umwelt und ihre didaktische Bedeutung

Die menschliche Erfahrung entsteht aus sinnlichen Empfindungen, wenn der Mensch diese Empfindungen in sein Erleben einordnet und dazu ein Verhältnis entwickelt. Durch Lehre und Unterricht soll diese Erfahrung, das heißt die Beziehung der Lernenden zu ihrer Umwelt verändert werden: Aus Zeichen werden Buchstaben, aus fremden Kindern Klassenkameraden, aus Texten eine Vorstellung. Dabei bleibt die Struktur der menschlichen Erfahrung bestehen: Wie die Erfahrung geschieht Lernen durch die sinnliche Begegnung mit dem Lehrgegenstand, diese Begegnung wird von einer Empfindung begleitet, und indem die Lernenden dazu Stellung beziehen, können sie die Erfahrungen reflektieren und ordnen. Diese drei Aspekte der Begegnung mit der Umwelt sollen als Sinn, Empfindung und Ausdruck bezeichnet werden. Im Folgenden werden diese drei Aspekte didaktisch entfaltet.

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Sinn: Die sinnliche Begegnung mit der Welt

Sinn als Weltbezug meint die sinnliche Wahrnehmung, den Kontakt mit der Welt durch die verschiedenen Sinne. Alles, was den Lernenden

begegnet, ist zunächst Sinn; jedem Arbeitsblatt, jedem Impuls der Lehrkraft begegnen Lernende zunächst auf dieser Ebene. In der Schule werden vor allem die Sinne Sehen und Hören aktiviert, seltener die weiteren. Dieses Übergewicht liegt daran, dass Sehen und Hören Fernsinne sind. Eine Gruppe von Menschen, etwa eine Klasse, kann gemeinsam etwas sehen oder etwas hören; dagegen kann ein Mensch nur allein etwas ertasten. Ein Gegenstand, der ertastet werden soll, wird daher herumgereicht, und das kostet Zeit.

Dieser sinnliche Aspekt des Lernens wird didaktisch dadurch aufgenommen, dass zum Beispiel Arbeitsblätter ansprechend gestaltet werden; in der Grundschule werden Rechenaufgaben manchmal mit Bildern dekoriert, und allgemein wirken schlecht gestaltete Arbeitsblätter oder verschmutzte Schulbibeln auf Lernende abstoßend. Dieser Weltbezug „Sinn“ wird auch angesprochen, wenn im Religionsunterricht eine Menora gezeigt wird, Die Menora ist dann ein Artefakt, das den Lernenden vorgelegt wird, und dieses Artefakt sehen sie, bevor sie darüber nachdenken (Sajak 2012, 229). Auch der Auftritt eines Rabbiners, der etwas über sein Judentum erzählt, akzentuiert diesen Weltbezug Sinn.

Solche sinnlichen Begegnungen mit der Welt sind die Grundlage für jede Erfahrung und damit auch für jedes Lernen, gleichzeitig ist die sinnliche Wahrnehmung offen: Welche Aspekte die Lernenden etwa von einem Arbeitsblatt direkt wahrnehmen, das ist nicht im Vorhinein sicher, denn die Sinne sind zunächst vorsprachlich oder „sprachlos“. Diese Sprachlosigkeit ist ganz konkret zu verstehen: Ein sinnlicher Eindruck selbst ist noch nicht in Worte gefasst, sondern muss erst durch die Ratio zum Ausdruck kommen, damit er bewusstwird.

Am Beispiel der Menora kann man diesen Unterschied zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und dem Ausdruck nachvollziehen: Die Lehrkraft stellt eine Menora aufs Pult, die Lernenden sehen zunächst ein Stück Metall, davon zweigen drei symmetrische Kreisbögen ab, an den sieben Enden sind Mulden. Im Moment des Zeigens bleibt offen, welche Aspekte die Lernenden zunächst wahrnehmen. Und erst durch eine Intervention, die über diese sinnliche Wahrnehmung hinausgeht, können die Lernenden erschließen, dass die Mulden Kerzen aufnehmen sollen, dass die Kreisbögen und der mittlere Schaft als Arme bezeichnet werden, und dass solch ein siebenarmiger Leuchter ein liturgisches Gerät im Judentum ist, dort wird er Menora genannt. Diese letzten Aussagen sind keine sinnlichen Wahrnehmungen, sondern Ausdrücke, die die sinnliche Wahrnehmung des geformten Metalls benennen und deuten. Auf der Grundlage eigenen Vorwissens der Lernenden sind auch andere Deutungen möglich: In der Kathedrale von Essen zum Beispiel steht an prominenter Stelle ein siebenarmiger Leuchter, und hier steht er nicht als jüdisches, sondern als katholisches liturgisches Gerät. Die Deutung kann dann erweitert werden: Eine Menora ist ein jüdisches liturgisches Gerät, es kann zur Erinnerung an die jüdische Tradition auch in einer katholischen Kirche stehen. Dies ist eine komplexe Aussage, die zwar von der sinnlichen Erfahrung ausgeht, die jedoch nur auf der Ebene des Ausdrucks verständlich ist.

Die Vorsprachlichkeit sinnlicher Wahrnehmungen stellt für den Unterricht eine Herausforderung dar: Einerseits ist ein Unterricht ohne sinnliche Wahrnehmungen nicht möglich, andererseits ist es didaktisch schwierig, diese Wahrnehmung zu planen. Daher werden verschiedene Strategien angewendet, um die Wahrnehmung der Lernenden zu fokussieren. Bei der Arbeit mit dem Overhead-Projektor zum Beispiel werden diejenigen Abschnitte der Folie abgedeckt, die noch nicht von Bedeutung sind, Präsentationen werden aufeinander aufbauend entwickelt. Eine andere Strategie dazu ist die Trennung Bildbeschreibung und Bilddeutung. Die Bildbeschreibung soll das benennen, was sinnlich wahrnehmbar ist, daran soll sich die adäquate Deutung des Bildes anschließen.

Trotz solcher Vorkehrungen bleibt es schwierig, die sinnliche Wahrnehmung der Lernenden zu steuern. Bei bewegten Bildern ist die Aufmerksamkeit der Lernenden besonders schwierig zu fokussieren: Wie ein Film gesehen, eine Geschichte verfolgt wird, das bleibt individuell. Ebenso bleiben beim Einsatz von Musik oder Gesang, beim Besuch im Schulgarten oder bei einer Exkursion die sinnlichen Begegnungen individuell. Das gilt auch für die Begegnung mit einem Besucher, der von außerhalb in die Schule kommt: Ein Rabbiner, der Schülern etwas vom Judentum erzählt, oder ein Imam, der Koranverse rezitiert, das sind zunächst Begegnungen auf dieser sinnlichen Ebene. Solch eine Begegnung durchbricht darüber hinaus die Schulroutine, die Kinder haben etwas Neues zu schauen und zu hören. Worauf genau sie achten, was sie von dieser Begegnung behalten, das kann nicht vorhergesehen werden, da hier vorrangig der Weltbezug Sinn angesprochen wird.

Diese Aspekte der Individualität und Vorsprachlichkeit im Weltbezug „Sinn“ kann auch produktiv eingesetzt werden, immer dann, wenn die Lernenden etwas sinnlich darstellen. Eine Methode, die diese eigenständige, sinnliche Darstellung fördert, ist der Einsatz von Orff-Instrumenten. Die Aufforderung: „Wähle ein Instrument und spiele uns vor, wie (…)  der Wind heult / die Katze schnurrt.“ (Hagemann o.J) ist die didaktische Nutzung der sinnlichen Weltbegegnung. Im Rahmen der Religionspädagogik kann mit diesen Instrumenten zum Beispiel eine Geräuschkulisse zu einer Jesus-Erzählung entwickelt werden, dabei können die Kinder ihre Ideen ausdrücken und so zu der Erzählung eine weitere sinnliche Ebene einführen.

Nach diesen Überlegungen kann man festhalten: Jeder Unterricht hat sinnliche Aspekte. Einige Methoden stellen diese sinnlichen Aspekte in den Vordergrund, andere in den Hintergrund. Methoden bzw. Lernwege lassen sich dadurch beschreiben, welche sinnlichen Wahrnehmungen sie forcieren, und welche Bedeutung sie dieser sinnlichen Wahrnehmung einräumen. Oft wird die Sinnlichkeit der Methode als ein Zeichen ihrer Güte und ihrer Produktivität angesehen (so Rendle 2008, 11). Doch der Aspekt der Vorsprachlichkeit zeigt, dass sinnesbezogene Methoden allein keinen guten Unterricht garantieren: Nur weil die Sinne angesprochen werden, wird noch nichts gelernt. Darüber hinaus hat jede sinnliche Wahrnehmung nicht nur Bedeutung für den rationalen Ausdruck, wie wird auch stets von Empfindungen belgleitet.

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Empfindung: Emotionale Reaktion auf die Erfahrung

Die direkte Reaktion des Menschen auf den Weltbezug Sinn ist die Empfindung. Vor jeder rationalen Aussage in Bezug auf eine sinnliche Wahrnehmung empfindet der Mensch seinen Bezug zum Erlebten, etwa indem er Freude, Ablehnung, Desinteresse oder Ansprache empfindet. In der Psychologie gibt es eine Diskussion, ob es einige wenige Grundempfindungen gibt, oder ob die Empfindungen individuell und vielgestaltig sind (vgl. Vogel 1996). Diese Diskussion ist für die Didaktik insofern sekundär, als für das Lernen vor allem zwei Empfindungen von Interesse sind: Anziehung und Ablehnung. Anziehung umfasst dabei Interesse, Freude, Spannung, Aufregung und alle Empfindungen, die positiv in Bezug auf den Lehrgegenstand sind; Ablehnung meint Langeweile, Abstoßung, Ekel und alle Emotionen, die negativ konnotiert sind und die eine Begegnung mit dem Lehrgegenstand erschweren.

In der Psychologie wird diskutiert, ob in der Entstehung menschlicher Erfahrungen die Kognition oder die Emotion Vorrang hat (Zajonc 1980, 155), für die didaktische Überlegung ist vor allem Folgendes bedeutsam: Es gibt kein emotionsloses, nüchternes Konstatieren, alle menschlichen Erfahrungen sind emotional gefärbt. Diese emotionale Bedeutung von Erfahrungen hat mehrere Konsequenzen: Emotionen verbinden die Sinne, das Bewusstsein und die Seele, sie begründen Handlungsmotive und sie ermöglichen erste Wertungen dessen, was man erfährt. Die Emotion, so kann man metaphorisch sagen, steuert die Reaktion des Menschen auf seine sinnlichen Wahrnehmungen und damit färbt sie die rationale Auseinandersetzung mit der Umwelt.

Emotionen sind stärker als die Wahrnehmung von individuellen menschlichen Voraussetzungen bestimmt; sie steuern Lernprozesse sozusagen im Vorhinein. In einer Extremform kann man das leicht nachvollziehen: In besonderen emotionalen Situationen kann der Mensch nicht lernen; ist er jedoch aufgeschlossen der Welt gegenüber, dann wird jede Begegnung mit der Umgebung und damit jedes Lernen erleichtert. Einige Psychologen sind der Meinung, dass dies eine allgemeine Regel ist: Aus den Sinneseindrücken, die auf den Menschen zukommen, werden nur diejenigen zu Erfahrungen, zu denen der Mensch eine Empfindung aufbaut (so Atkinson 1975). Wie die sinnliche Wahrnehmung ist dieser Aspekt der Empfindungen individuell. In der Didaktik werden die Empfindungen der Lernenden eher pauschal betrachtet. So soll allgemein Interesse geweckt werden, eine gute Lernatmosphäre gilt als lernförderlich (So Rogger 2012, 33), wobei damit vor allem eine eher unspezifische, freundliche Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden gemeint ist.

In einigen Unterrichtsmethoden wird versucht, diesen emotionalen Aspekt des Lernens zu reduzieren bzw. zu kanalisieren. So werden in Lehrer-Schüler-Gesprächen und in Gruppendiskussionen emotionale Äußerungen der Lernenden explizit unterdrückt; etwa ein Stöhnen oder ein Verdrehen der Augen werden als Beleidigung gedeutet und als unerlaubte Reaktionen geahndet. Auch auf Seiten der Lehrkraft werden Emotionen eher unterdrückt, im Umgang mit den Lernenden wie in Bezug auf die Lerninhalte. Es gilt als eine professionelle Einstellung, keine bevorzugten Inhalte zu lehren und im Umgang mit den Lernenden keine Präferenzen zu zeigen (Helmke/Helmke 2014, 11).

Unterrichtselemente, in denen Empfindungen eine wichtige Rolle spielen, werden in den meisten Fächern selten genutzt, im Religionsunterricht dagegen gibt es Methoden, die explizit auf die Empfindungen ausgerichtet sind: Eine Gedankenreise bietet die Möglichkeit, dass die Lernenden sich ihren Emotionen nähern, mit Körperübungen sollen sich Lernende ihrer Körperempfindungen bewusstwerden. Solche Unterrichtselemente sind nur bedingt dazu geeignet, einem Lerninhalt zu begegnen, Körperübungen werden zum Beispiel zur allgemeinen Auflockerung des Unterrichtes genutzt. Unterrichtselemente, die Empfindungen artikulieren und gleichzeitig am Lehrgegenstand orientiert sind, kann man unter dem Label „stummer Impuls“ zusammenfassen: Eine Bildbetrachtung ohne Bildbeschreibung, eine stumme Begegnung mit einem Artefakt etc. Solche Elemente müssen zuvor geübt werden, damit der stumme Impuls tatsächlich als Impuls verstanden wird. Wenn den Lernenden klar ist, worum es geht, dann können solche Methoden tatsächlich die Empfindungen der Lernenden aktivieren.

Methoden, die auf die Empfindung fokussieren, berühren die Individualität der Lernenden. Diesen Schwerpunkt kann man am Unterschied der Methoden Bildbeschreibung und Bildbetrachtung verdeutlichen: Eine Bildbeschreibung zielt auf eine verständliche Kommunikation über das Bild, eine Bildbetrachtung zielt darauf, dass das Bild bei den Lernenden eine Emotion auslöst, und dass diese Emotion für die Lernenden relevant wird. Methoden, die die Empfindung in den Mittelpunkt stellen, haben einen spielerischen Aspekt, sie vermeiden die Klarheit und Vergleichbarkeit der Ratio. Eine Aufgabe wie: „Wähle ein Instrument und spiele uns vor, wie die Sterne glänzen“ (Hagemann o.J.), kann später nicht nach „falsch“ oder „richtig“ bewertet werden, er gibt jedoch den Lernenden die Möglichkeit, sich ihrer Empfindungen bewusst zu werden. Allgemein ist es zur sinnvollen Durchführung solcher Methoden notwendig, dass es einen geschützten Raum gibt, in dem die Empfindungen angstfrei gelebt werden können. In einem solchen geschützten Raum können die Gestaltung eines Bildes, eine Gedankenreise oder auch der Umgang mit Egli-Figuren die eigenen Empfindungen entwickeln und sichtbar machen.

Empfindungen stehen gewissermaßen zwischen den sinnlichen Wahrnehmungen und der bewussten, rationalen Begegnung mit der Umwelt. Sie sind real, sie haben Wirkung auf den Lernprozess, sie können jedoch zum Teil und mit Bezug auf eine konkrete Lerngruppe didaktisch antizipiert werden. Dieser Zwiespalt kann bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden, allein eine individuelle Betrachtung der Klasse und der einzelnen Lernenden kann Empfindungen für den Lernprozess nutzbar machen. Eine Lehrkraft, die auf die individuellen, temporären Empfindungen der Lernenden eingeht, kann unterstützend, aber auch bremsend auf die Lernenden einwirken und so die Möglichkeit des Lernens in der Gruppe begünstigen.

Ausdruck: Versprachlichung von Gefühlen und Eindrücken

Der Ausdruck ist dazu da, Sinneseindrücke und Empfindungen zu benennen. Die Aussage „Ich sehe ein Bild“ ist die Benennung eines Sinneseindrucks, die Aussage „Ich habe Bauchschmerzen“ benennt eine körperliche Empfindung. Dieser rationale Aspekt des menschlichen Umgangs mit der Welt hat zwei komplementäre Aspekte: Zum einen ermöglicht der Ausdruck die Kommunikation mit anderen Menschen, zum anderen ermöglicht der Ausdruck auch, sich zu sich selbst in Beziehung zu setzen. Mit der Aussage „Ich habe Bauchschmerzen“ macht sich der Sprechenden selbst bewusst, warum es ihm schlecht geht, und er verdeutlicht gleichzeitig seiner sozialen Umgebung, wie es ihm geht und warum es ihm so geht. Der rationale Ausdruck ermöglicht Gemeinschaft und Verständnis; wenn alle Kinder einer Klasse wissen, dass ein bestimmter siebenarmiger Leuchter als Menora bezeichnet wird, dann besteht darüber Einigkeit, zum Beispiel bei einer Exkursion in eine Synagoge: „Das ist die Menora, so etwas habt Ihr schon einmal gesehen.“

Ausdruck bestimmt das Verhältnis zur Welt und kann dabei Empfindungen verändern: Körperlich ist bitterer Geschmack ein Zeichen für die Giftigkeit dessen, was man gerade probiert (Hatt 2006, 337), und ein Kleinkind wird alles vermeiden, was bitter schmeckt. Mit dem Heranwachsen wird jedoch der Umgang mit Geschmack differenzierter, und für den Erwachsenen wird eine bittere Tasse Kaffee zu einem angenehmen Geschmackserlebnis. Psychologisch ist der Ausdruck abhängig von den sprachlichen Kompetenzen der Lernenden, vor allem aber ist er abhängig von der Fähigkeit, sich zu sich selbst zu verhalten. Gerade diese Fähigkeit ist für bewusstes Lernen von grundlegender Bedeutung: Es reicht nicht aus, dass die Kinder das Wort „Menora“ kennen, sie müssen auch wissen, dass sie es wissen.

Menschliches Lernen findet sich grundsätzlich auf der Ebene des Ausdrucks statt, Lernen ohne dieses Element einer bewussten Begegnung mit dem Lernprozess ist Dressur. Im konstruktivistischen Konzept religiösen Lernens wird auf dieser Ebene den Lernenden besondere Freiheit zugeeignet, die Lernenden sollen sich ihrer eigenen Vorstellungen bewusstwerden und diese Vorstellungen als Lernweg möglichst entwickeln. Natürlich sind auch für das menschliche Lernen unbewusste Lernprozesse von Bedeutung, vor allem im Rahmen der Sozialisation; doch hinter der Forderung nach Lernen auf der Ebene des Ausdrucks steckt ein Menschenbild, das an der individuellen Freiheit orientiert ist: Nur das, was der Mensch rational einsehen kann, soll er akzeptieren; nur wenn er selbst die Einsicht hat, dass die Vorgaben gut sind, soll er sich danach richten.

An dieser Stelle zeigt sich ein gewisses Dilemma für den Religionsunterricht: Einerseits will er wie jeder andere Unterricht den Lernenden etwas beibringen, andererseits verlangt die Religionsfreiheit auch Freiheit des Glaubens und Freiheit in der Akzeptanz von Argumenten. Daraus ergibt sich eine gewisse Scheu vor der Bewertung von Schüleraussagen im Religionsunterricht: Wie soll die Lehrkraft die Aussage „Ich glaube nicht an Gott“ bewerten? Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil lehnt die Kirche den Atheismus ab (GS 19-21), nach dem Grundrecht der Religionsfreiheit haben die Lernenden das Recht, nicht an Gott zu glauben und das auch zu äußern.

Trotz des genannten Dilemmas ist auch im Religionsunterricht die Ratio die zentrale Ebene des Lernens, wenn auch anders als im Mathematik- oder Sprachunterricht. Im Religionsunterricht wird die Ebene der Ratio etwa bei der Kenntnis von Traditionen bedeutsam: Es ist eine Tatsache, dass die Menora ein liturgisches Gerät der Juden ist, und die Schüler können lernen, wie eine Menora aussieht und bei welchen liturgischen Handlungen die Menora eine Rolle spielt.

Viele Unterrichtwege akzentuieren die Ratio als zentralen Aspekt des Lernens: Lehrervortrag und Gruppendiskussionen sind wichtige Methoden, die den Akzent auf den Ausdruck legen. In beiden Methoden wird das Lernziel durch sprachlichen Ausdruck von Argumenten und Ideen erreicht; diese Argumente und Ideen sollen verstanden, durchdacht und angenommen werden. Didaktisch wird auf einen adäquaten Austausch dieser sprachlichen Äußerungen geachtet: Es werden nur sachgerechte Argumente akzeptiert, die in passender Weise vorgebracht werden. Emotionale Ausdrücke werden explizit unterdrückt, die sinnliche Wahrnehmung soll möglichst weit hinter dem Ausdruck zurücktreten: Nicht die sprechende Lehrkraft als sinnlich wahrnehmbare Person steht im Vordergrund, sondern das, was sie vorträgt. Zur Fähigkeit, eine Diskussion zu führen, gehört ebenfalls die Akzentuierung auf das rationale Argument; wie im Lehrervortrag, so werden in Gruppendiskussionen emotionale Reaktionen mehr oder weniger explizit verboten.

Wie der Lehrervortrag betonen auch textorientierte Methoden die Ebene des Ausdrucks: Das Lesen einer Definition, das Ausfüllen eines Lückentextes oder ein Hefteintrag verlangen von den Lernenden den Umgang mit rationalen Gedanken und Argumenten, sie verlangen unterschiedliche Formen von Ausdruck. Auch eine Bildbeschreibung akzentuiert den Ausdruck durch den Austausch über die eigenen Sinneseindrücke, denn in einer Bildbeschreibung koordinieren die Lernenden dasjenige, was sie über die Sinne vom Bild aufnehmen; durch dieses Aussprechen dessen, was die Lernenden sehen, wird die Komposition des Bildes, sein Inhalt und seine Aussage rational organisiert.

Methoden, die den Ausdruck akzentuieren, haben den Vorteil, dass sie einen klaren, verstehbaren Austausch zwischen den Menschen ermöglichen. Mehrdeutigkeiten und Missverständnisse werden mit diesen Methoden sichtbar gemacht und koordiniert. Der Nachteil solcher Methoden besteht darin, dass sie die Lernenden einseitig ansprechen, einzig auf der Ebene des besseren Argumentes bzw. des rationalen Verstehens. Gerade im Bereich der Textarbeit übt die Schule einen rationalen Umgang ein: Texte werden analysiert, zerlegt, verstanden, sie werden als Sammlung von rationalen Aussagen vorgestellt. Mit dieser Form der Textarbeit wird der Zugang zu emotional gefärbten Texten erschwert, etwa zu einem Gebet oder einer Geschichte. Ebenso wird lautliche Wahrnehmung von Texten, ihre sprachliche Gestalt vernachlässigt.

Sinn, Empfindung und Ausdruck bestimmen das menschliche Lernen, und nach diesen Überlegungen hat sich gezeigt: Sinnliche Wahrnehmung ist sprachlos, Empfindungen werden in Lehr-Lern-Prozessen nur in geringem Maße betrachtet, und der Ausdruck ist die zentrale Ebene menschlichen, aufgeklärten Lernens. Diese Erkenntnis kann auf die Planung von Unterricht angewandt werden, denn schon im Vorhinein kann man die Akzentuierung dieser Aspekte durch unterschiedliche Lernwege abschätzen.

  1. Methodenwechsel: Durch unterschiedlichen Weltbezug das Lernen aktivieren

Die exemplarisch genannten Methoden und ihre Zuordnung zu einem Aspekt des Weltbezuges sind Akzentuierungen; die drei Aspekte Sinn, Empfindung und Ausdruck sind in jeder Methode anwesend: Beim Lehrervortrag ist zwar das Gesagte didaktisch von Bedeutung, doch die Lernenden nehmen zunächst die sprechende Lehrkraft wahr, und dazu haben sich immer auch eine Empfindung. Einige Methoden akzentuieren mehrere Aspekte gleichzeitig: So ist das gemeinsame Singen ein sinnliches Erlebnis, da gesungene Worte anders gehört werden als gesprochene Worte, ebenso stärkt gemeinsames Singen das Gefühl für die Gemeinschaft, und es ist auch ein Ausdruck, da die Singenden auch den Inhalten des Liedes begegnen. Auch das Erzählen einer Geschichte ist ein Vorgang, in welchem ein geordneter Ablauf von Handlungen dargestellt wird, gleichzeitig ist es ein soziales Geschehen, in welchem die Lerngruppe aktiv zuhört, und es ist eine Einladung, emotional mit der Geschichte mitzugehen.

Trotzdem hilft die Überlegung zum Weltbezug zu verstehen, warum, wie in der Einleitung gefragt, eine inhaltliche Vertiefung durch einen Text nach einem Lehrer-Schüler-Gespräch kaum anregend auf die Lernenden wirkt: Beide Methoden akzentuieren als Weltbezug den Ausdruck, beide Methoden konzentrieren sich auf die Ratio des Menschen. Auch wenn ein Lehrer-Schüler-Gespräch eine gruppenorientierte Methode ist und eine Textlektüre individuell, so fehlt diesem Methodenwechsel die Aktivierung eines anderen, neuen Weltbezuges. Nachdem sich die Lernenden auf die Aussagen und Argumente der Lehrkraft konzentriert haben, müssen sie sich auf die Aussagen und Argumente aus einem Text konzentrieren. Gemäß der Überlegung zum Weltbezug wäre es dagegen lernförderlicher, wenn die Lernenden nach einem Lehrer-Schüler-Gespräch zum Beispiel durch eine Begegnung mit einem Artefakt das Gelernte vertieft wird, denn solch eine Begegnung versinnlicht das Gelernte und eröffnet den Lernenden weitere Aspekte, mit dem Lehrgegenstand in Beziehung zu treten.

Diese Beobachtung kann man verallgemeinern: Es ist sinnvoll, Methoden miteinander so zu kombinieren, dass verschiedene Weltbezüge akzentuiert werden. Dadurch entstehen eigene Kombinationen, die den Ansprüchen von Kohärenz und Variation im Unterricht genügen, die die Lernenden zur Aktivität animieren, und die diese Aktivitäten auf das Ziel hin orientieren. Dazu einige Beispiele:

Begleitung einer Geschichte mit Klängen

Die Lerngruppe erarbeitet eine Geschichte und trägt dann diese Geschichte mit einer Begleitung durch Orff-Instrumente vor. Der erste Schritt akzentuiert den Ausdruck. Die Lernenden nähern sich den handelnden Personen, sie betrachten den Handlungsverlauf oder die theologische Bedeutung der Geschichte. Der zweite Schritt akzentuiert die Empfindung. Die Lernenden drücken die Gefühle der Personen, den Spannungsbogen der Geschichte oder die theologische Auffassung aus, mit Hilfe von Tönen. Wird diese Methode als Gruppenarbeit durchgeführt, dann können die Gruppen sich gegenseitig ihre Ideen vorführen, dadurch wird auch der sinnliche Aspekt eines solchen Vortrages didaktisch genutzt. Diese Methodenkombination wird gerne im biblischen Lernen verwendet.

Bild: Łukasz Cwojdziński auf Pixabay.com

Begegnung und Bearbeitung eines Bildes

Der Umgang mit Bildern beschränkt sich oft auf die Bildbeschreibung. Bildbeschreibung akzentuiert den Ausdruck, die Lernenden sollen ihre Sinneseindrücke in adäquate Worte fassen. Diese Methode kann man etwa mit der Methode Bildgestaltung kombinieren. Zum Thema ‚Bewahrung der Schöpfung‘ kann die Lehrkraft mit einem Bild beginnen, das die Folgen von Umweltverschmutzung zeigt, zum Beispiel eine Müllkippe. Nach einer Erarbeitung zu Möglichkeiten, wie die Lernenden selbst die Schöpfung bewahren können, können sie ihre Hoffnung auf eine intakte Umwelt in dieses Bild hineintragen und das Bild selbstständig verändern: Auf der Müllkippe wachsen vielleicht einmal wieder Blumen und Bäume. Bei dieser Methode ist es auch möglich, dass die Lernenden ihre Hoffnungslosigkeit ausdrücken, gerade indem sie das Bild nicht verändern. Beides – eine Veränderung zum Positiven und ein Belassen des Bildes – können wiederum zum Austausch über die Bedeutung des eigenen Verhaltens anregen und damit den Ausdruck aktivieren.

Entwicklung von Fragen vor einer Exkursion

Besteht die Möglichkeit für eine Exkursion, so bedarf es einer adäquaten Vorbereitung, die es den Lernenden ermöglicht, ihre Wahrnehmungen in der ungewöhnlichen Situation zu sortieren und zu formulieren. Vor einem Besuch in einer Moschee ist es sinnvoll, dass die Lernenden sich Fragen überlegen, mit denen sie diesen Besuch organisieren. Solche Fragen beginnen bei der Formulierung von Wahrnehmungen, zum Beispiel: Wohin ist die Moschee ausgerichtet? Sie können noch weitergehen und die Aufmerksamkeit auf die Ausstattung der Moschee lenken, zum Beispiel: Welche Schmuckgegenstände finden sich in der Moschee? Und welche Schmuckgegenstände finden sich zwar in einer Kirche, aber nicht in der Moschee? Gerade diese letzte Frage regt zum Vergleich zwischen der Moschee und der eigenen Tradition an. Schließlich können auch Fragen nach den eigenen Empfindungen gestellt werden, zum Beispiel: Fühle ich mich fremd in dieser Moschee? Was ist mir vertraut, was möchte ich gerne näher kennenlernen?

Darstellung von Ergebnissen in szenischen Bildern

Eine Gruppendiskussion ist wie ein Lehrervortrag eine Arbeitsform, die den Ausdruck akzentuiert. Um die Begegnung mit der Welt zu erweitern kann man folgendermaßen vorgehen: In einer Gruppendiskussion wird die Situation von Muslimen in Deutschland betrachtet, etwa der Minderheitenstatus, die fehlende Wertschätzung der Mehrheitsgesellschaft, Schwierigkeiten bei der Durchführung religiöser Handlungen. Die Ergebnisse dieser Erarbeitung werden als szenische Bilder dargestellt; dazu muss eine Strategie entwickelt werden, wie die Gruppe ohne Worte die einzelnen Ergebnisse zeigen kann. Anhand der Reaktion der übrigen Klasse auf die einzelnen Darstellungen kann dann festgestellt werden, ob die zentralen Aussagen für die anderen Lernenden verständlich geworden sind.

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Die genannten Beispiele haben unterschiedliche Voraussetzungen, die die Lerngruppe für einen gelungenen Unterricht erfüllen muss: Die Begleitung einer biblischen Geschichte mit Klängen sowie die Begegnung und Bearbeitung eines Bildes sind für die Lernenden recht leicht verständlich und verlangen keine besonderen Kompetenzen. Die Entwicklung von Fragen vor einer Exkursion setzt einen Grundbestand an Wissen über das Ziel der Exkursion voraus, im genannten Beispiel eines Moscheebesuches etwa die Kenntnis den prinzipiellen Aufbau einer Moschee. Das dritte Beispiel hat fachliche und menschliche Voraussetzungen: Fachlich beruht diese Vorgehensweise darauf, dass die Lernenden differenzierten Zugang zu den bedeutsamen Informationen haben. Menschlich muss die Gruppe so miteinander agieren können, dass der Austausch über mögliche Darstellungen gelingt. Gerade diese zweite Voraussetzung bringt es mit sich, dass eine solche Methode eingeübt werden muss. Haben die Lernenden die dazugehörigen Kompetenzen erlangt, dann geht der Lernerfolg deutlich über ein reines Verstehen der Informationen hinaus: Die Ausdrucksfähigkeit der Lernenden wird erhöht, ebenso die Begegnung mit dem eigenen Körper und das Verständnis für die emotionale Bedeutung solcher Fakten.

 

  1. Methodenwechsel als Strukturprinzip von Schulunterricht

Nach der hier vorgelegten Reflexion kann der Methodenwechsel die Unterrichtseinheit nicht nur zeitlich, sondern auch didaktisch rhythmisiert werden. Durch den Wechsel zwischen sinnlich orientierten, emotionsorientierten und reflexionsorientierten Methoden werden die Beziehungen zwischen den Lernenden und den Unterrichtsgegenständen in unterschiedlichen, einander ergänzenden Aspekten entwickelt. Darüber hinaus können die Lernenden sich selbst in den Unterricht mit einbringen, und zwar in direktem Bezug zum Lehrgegenstand. So muss ein Lehrer-Schüler-Gespräch nicht unbedingt damit enden, dass die Lernenden kognitiv überzeugt sind; sie können ihre Überlegungen auch auf andere, sinnlich wahrnehmbare Weise äußern. Ebenso kann die Begegnung mit Menschen anderer Religion im Unterricht so inszeniert werden, dass diese Begegnung nicht bei der wahrnehmbaren Besonderheit stehen bleibt, sondern darüber hinausgeht und von der Lehrkraft intendierte Denkprozesse anstößt.

Für die Lehrkraft bedeutet dieses Strukturprinzip die Notwendigkeit einer eigenständigen Betrachtung der Vorgehensweise im Unterricht nach dem Weltbezug. Dabei spielen empirische und normative Fragen eine Rolle. So kann man an jede Unterrichtsplanung die Frage stellen: Welchen Bezug zur Welt, zum Lehrgegenstand wird im geplanten Vorgehen betont; eine Begegnung, eine Empfindung oder ein Gedanke? Von dieser empirischen Frage zu unterscheiden ist die normative Frage: Was soll im Mittelpunkt des Vorgehens stehen? Sollen die Lernenden ihre Wahrnehmung schulen, sich einer Empfindung bewusstwerden oder einen Gedanken verstehen?

Diese Fragen kann nur die Lehrkraft beantworten und nur in Bezug auf die konkrete Lerngruppe, denn gerade der Umgang mit Empfindungen verlangt Sensibilität und Empathie gegenüber den Individuen, mit denen der Unterricht stattfindet. Gelingt dabei die geordnete Variation im Weltbezug, steigen Interesse und Motivation der Lernenden und damit auch die Nachhaltigkeit des Lernerfolges.

 

Literatur

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Sajak, C. 2012, Interreligiöses Lernen im schulischen Religionsunterricht, in: Grumme, B./Lenhard, H./Pirner, M. (Hg.), Religionsunterricht neu denken: Innovative Ansätze und Perspektiven der Religionsdidaktik. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart, 223-233.

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