Bildung und Kultur

Ansichtssache

Henning von Gierkes Installation „Abendmahl und zwölf Begleiter“ im MAD lässt die Betrachtenden Teil einer Gemeinschaft werden. Von Maria Walter.

 

Gierkes Installation ist zugleich interaktiv und lädt doch zum Innehalten ein. Ich kann – und muss – mich verorten: Wenn ich den Raum betrete und mich auf die Bank setze, projiziert mich eine Kamera mit leichter zeitlicher Verzögerung in die Mitte einer Tischgemeinschaft.

Es liegt nahe, an Darstellungen des Abendmahls zu denken, wie Leonardo da Vincis berühmtes Wandbild. Den üblicherweise Jesus zugeordneten Platz in der Mitte lässt Gierke durch die Museumsbesucher*innen ausfüllen.

Und das tun sie mit viel Neugier und Begeisterung: Wenn ich im MAD bin, beobachte ich gerne, wie sie mit dem Werk interagieren. Sie sitzen alleine oder zu zweit auf der Bank, experimentieren mit der Projektion, machen Fotos … Sie verorten sich inmitten der dargestellten Personen. So entstehen immer wieder neue (Tisch-)Gemeinschaften.

Warum mag ich dieses Werk so sehr? Es veranschaulicht einen der zentralen Aspekte unseres Leitbilds: Im Zentrum steht der Mensch in all seiner Freiheit und mit seiner jeweils eigenen Lebensrealität. Egal, was er*sie über Kunst und Museen denkt oder schon weiß – hier ist Raum für neue Erfahrungen.

Für den Künstler ist das Werk eine „Liebeserklärung an das Leben“ – er will damit einen „Lebensraum schaffen“. Auch selbst bin ich immer wieder erstaunt von der Fülle, die sich mir in der Betrachtung von Gierkes „Abendmahl“ erschließt. Je länger ich dort sitze, desto mehr Details entdecke ich. Ein kleiner Vogel. Die vielen Falten im Gesicht der alten Frau. Brotkrumen auf dem weißen Tischtuch.

Fragen tauchen auf: Wer sind diese Menschen? Was verbindet sie? Warum sind sie hier beieinander? Welcher Person – welchem Lebensalter – fühle ich mich gerade nahe? Gemeinsames Essen drückt Zusammengehörigkeit, Verbundenheit, Freundschaft aus – da ist Nähe und vielleicht Vertrautheit. Fühle ich mich wohl in dieser Tischgemeinschaft? Wen vermisse ich? Oder wäre ich lieber allein? Warum sind ausschließlich Menschen mit weißer Hautfarbe dargestellt? Was macht es mit mir, dass einige der Figuren nackt sind?

All diese Fragen dürfen sein – und müssen keine Antwort finden. Auch das ist Teil des Konzepts; im MAD gibt es Denkanstöße statt Fachvokabular – Angebote statt Vorgaben. Umgesetzt ist das zum Beispiel in den kurzen Einführungstexten der bewusst frei gehaltenen Themenbereiche: Sie sind etwa betitelt mit „Mutter“ oder „Sohn“, nicht etwa mit „Maria“ oder „Jesus“.

Wenn ich von der Bank aufstehe, bleibt mein Bild noch eine Weile im Kunstwerk sichtbar.

Die Museumsbesucher*innen bewegen sich weiter – in ihre Welt zurück, in ihren Alltag, vielleicht ja mit neuen Fragen, die sie beim Essen mit Freund*innen oder in der Familie weiterdenken können.

Die Installation können Sie im Museum am Dom selbst erleben. Jeden ersten Sonntag im Monat sogar kostenlos.

Hier können Sie sich die vollständige Installation in einem Video anschauen.

Informationen zu Sonderausstellungen, Veranstaltungen und Führungen gibt es immer aktuell auf der Website des Museums am Dom sowie auf den MAD-Social-Media-Kanälen.

 

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