Dem Judentum begegnen
Aspekte im Religionsunterricht. Von Bettina Englert.
Der Interreligiöse Dialog ist Alltag in unserer Gesellschaft und er macht auch nicht vor unseren Schulen halt. Es kommt immer wieder zu Spannungen und Konflikten, die religiöse Hintergründe haben könnten, denn jede Kultur hat ihre Prägung auch durch die Religion erfahren.
Konflikte entstehen meist aus Unwissenheit bzw. Halbwissen, Unverständnis oder Angst vor dem „Fremden“. Nur Bildung kann hier entgegenwirken, damit sich junge Menschen durch fundiertes Wissen selbst ein objektives Urteil bilden können.
Besonders erschreckend ist der zurzeit wachsende Antisemitismus bei Jugendlichen, die keinerlei Berührung mit Menschen jüdischen Glaubens haben. Angesichts der deutschen Geschichte ist dies eine äußerst beschämende Tatsache und völlig unverständliche Entwicklung. Papst Johannes Paul 11. formulierte es bei seinem Besuch in der Synagoge von Rom am 13. April 1986 folgendermaßen: „Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas „Äußerliches“, sondern gehört in gewisser Weise zum „Inneren“ unserer Religion. Zu ihr haben wir somit eine besondere Beziehung wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder.“ Dieses Bewusstsein unseren Schülern zu vermitteln sollte wieder mehr denn je Teil des Religionsunterrichtes sein. Antoine de Saint-Exupery drückt es so aus: „Du bist zeitlebens dafür verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“
Wenn wir uns mit anderen Religionen vertraut gemacht haben, dann haben wir die Verantwortung für einen respektvollen Umgang miteinander übernommen. Mit diesem „Vertrautmachen“ können wir nicht früh genug anfangen und 1m Laufe des Schullebens immer weiter daran arbeiten.
Wir begegnen in unserem Alltag Menschen aus verschiedenen Kulturen mit einer vielfältigen religiösen Prägung. Je mehr wir uns mit diesem „Anderssein“ auseinandersetzen, desto mehr können wir verstehen und dadurch Toleranz entwickeln, was einen reibungsloseren Umgang ermöglichen sollte. Wird jedoch nur Stoff vermittelt, wird eine offene Begegnung oder ein Austausch weniger gefördert.
„Wenn wir uns mit anderen Religionen vertraut gemacht haben, dann haben wir die Verantwortung fur einen respektvollen Umgang miteinander übernommen. Mit diesem ,Vertrautmachen‘ können wir nicht früh genug anfangen.“
In der Schule erweitern wir unseren Horizont über andere Religionsgemeinschaften nur durch indirektes Lernen. Der Blick weitet sich erst durch eine direkte Begegnung mit dem „Anderen“ und genauso verhält es sich mit dem direkten Lernen. Das indirekte Lernen in der Schule ist gut und wichtig, um sich vorerst einen Überblick über eine Religion zu verschaffen und eine erste Begegnung im wissenschaftlichen Kontext anzubahnen. Von einer Religion reden und über sie lernen ist etwas anderes als mit einer anderen Religion ins Gespräch zu kommen. Um ein wirklich gutes Gespräch zu starten beziehungsweise einen gewinnbringenden Dialog zu führen, ist diese Vorbereitung aber unabdingbar.
Wichtiges über die andere Religion erfahren die Schüler*innen mit Informationen über Gegenstände, Bräuche, Feste und über das religiöse Leben. Um die Zusammenhänge leichter verstehen zu können, bieten sich außerdem Besuche der Gotteshäuser und Begegnungsstätten an. Um das Lernen mit allen Sinnen anzustoßen, kann der Unterricht mit typischen religiösen Gegenständen sehr bereichert werden, denn alles, was man selbst gesehen oder evtl. auch in den Händen gehalten hat, bleibt eher im Gedächtnis verhaftet.
Für das Judentum -und selbstverständlich auch für die anderen Weltreligionen -können im Religionspädagogischen Institut in Würzburg nach vorheriger Absprache diverse Realien ausgeliehen werden. Ein abschließender Besuch in einem entsprechenden Gebets-oder Gotteshaus rundet die theoretische Wissensvermittlung eindrucksvoll ab. Die Synagoge „Shalom Europa“ in Würzburg zum Beispiel bietet dazu Führungen durch geschultes Personal an. Die Klassen werden durch die Räumlichkeiten geführt, besichtigen die Synagoge und erhalten eine Führung durch das Museum. Die Erfahrung zeigt, dass das Interesse an Religion sowohl an der eigenen als auch an fremden Religionen meist groß ist und die Reflexion eine Öffnung bzw. eine Annäherung an den eigenen Glauben bringt. Die Realien der verschiedenen Religionen wecken das Interesse der Schüler*innen, weil etwas sehen und anfassen können die Theorie lebendiger macht. Ein angekündigter Besuch in der Synagoge spornt zudem an, schon vorab im Unterricht Informationen zu erhalten. Die Schüler*innen äußern sich positiv über diese Erlebnisse. Wer gute Erfahrungen macht, ist weniger anfällig für radikale Ansichten, denn die persönliche Begegnung bleibt tiefer und nachhaltiger in Erinnerung. Machen wir unsere Schüler*innen mit anderen Religionen vertraut und hoffen darauf, dass sich daraus ein toleranter und verantwortungsvoller Umgang in unserer Welt entwickelt. Diese Möglichkeit im Bereich des Interreligiösen Dialogs sollten wir uns nicht entgehen lassen.