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Die Ostergeschichte szenariendidaktisch bearbeiten

Praxisplus Fastenzeit/Ostern – 7 Methoden für einen zeitgemäßen Religionsunterricht in der Fasten- und Osterzeit. Diesmal: Die Ostergeschichte szenariendidaktisch bearbeiten. Von Barbara Mack.

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Als „Szenariendidaktik“ bezeichnet man die Öffnung des Unterrichts bezüglich der Zugangswege, die Schülerinnen und Schüler individuell bei der Bearbeitung von Inhalten wählen können.

Bild: B. Mack/RP+

Der Begriff der Szenariendidaktik stammt dabei ursprünglich aus dem Sprachunterricht. Das Konzept nimmt in den Blick, dass Schülerinnen und Schüler in vielfältigen Aspekten heute sehr heterogen sind: Kultureller Hintergrund, individuelle Begabungen und Interessen, aber auch thematisches Vorwissen unterscheiden sich in der Regel stark. Im Unterricht wird es zunehmend wichtig, dass die Zugangswege zu den Inhalten dieser Heterogenität Rechnung tragen. In den gängigen Unterrichtsformen kann dies jedoch nicht immer geschehen. Dafür ist jedoch „eine Grundbedingung […] das Verlassen gängiger Wege von vorausplanendem Unterricht (Instruktion) und das Einlassen auf eine offenen Gestaltung.“ (Petra Hölscher, Jörg Roche und Mirjania Simic 2009, Szenariendidaktik als Lernraum für interkulturelle Kompetenzen im erst-, zweit- und fremdsprachigen Unterricht. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 14:2, 43-54, hier: S. 45)

Genau dies hat sich das Konzept der Szenariendidaktik zur Aufgabe gemacht. Es eignet sich vorzüglich, das „Vorwissen und Weltwissen der Schüler“ (Hölscher et al. 2009, ebd.) einzubeziehen und gibt vielfältige Möglichkeiten, auf die persönlichen Interessen und Talente jedes und jeder einzelnen einzugehen und diese für eine tiefgreifende Behandlung des Themas zu nutzen. Hölscher et al. (2009, ebd.) fassen die Vorteile dieser Methode in ihrem Aufsatz folgendermaßen zusammen: „Durch unterschiedliche Zugänge zum Thema entsteht eine bereichernde Vielfalt von Perspektiven, die für den Erwerb interkultureller Kompetenzen genutzt werden und zum Anlass für intensive inhaltliche Auseinandersetzung darüber wird. Dadurch wird der Unterricht der Komplexität der Wirklichkeit gerecht.“

Die eigentlich für den Sprachunterricht entwickelte Methode eignet sich sehr gut für die Bearbeitung von Texten (und teilweise sogar Bildquellen) in allen Zusammenhängen und ist somit auch für den Religionsunterricht gut einsetzbar.  Bei Hölscher et al. (2009, S. 47f) finden Sie eine ausführliche Beschreibung für den Einsatz im Deutschunterricht, der auch gut auf die Textarbeit im Religionsunterricht übertragbar ist.

Im Folgenden finden Sie einen Vorschlag, szenariendidaktische Grundzüge, wie sie dort dargestellt werden, in Zusammenhang mit der Ostergeschichte anzuwenden.

Die Erarbeitung der Ostergeschichte ist auf mindestens zwei bis drei Stunden angelegt, je nach Altersstufe, Niveau und Erfahrung der SchülerInnen und Komplexität der Texte kann diese Methode jedoch auch mehr Zeit benötigen. Das Konzept der einzelnen, in sich geschlossenen und mit einem Abschluss versehenen Unterrichtsstunde wird dabei vollständig aufgelöst. Dies erfordert ein Umdenken bei der Lehrkraft. In der Regel sind wir bestrebt, eine Stunde mit einem klaren Stundenabschluss zu beenden. Ein offenes Stundenende kann aber für die SchülerInnen sehr motivierend wirken: Oft beschäftigen sie sich auch über den Unterricht hinaus mit dem Thema weiter, da es nicht „abgeschlossen“ wahrgenommen wird und Raum lässt für weiteres Nachdenken und den Austausch von Ideen und Meinungen auch über die 45-Minuten-Grenze einer Schulstunde hinaus.

  1. Einstieg:
Bild: B.Mack/RP+

Das Interesse der SchülerInnen an der Thematik wird geweckt, in dem – anders als im normalen Unterricht – nicht mit einer Zielangabe begonnen wird. Vielmehr werden die SchülerInnen dazu eingeladen, sich frei für eine Aufgabe und eine Arbeitsform (Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit) zu entscheiden. Die Aufgabenstellungen und die dazu nötigen Methoden sollten den SchülerInnen bekannt sein. Hier können Sie 100 Aufgabenkarten herunterladen, aus denen Sie nach Bedarf auswählen können, sowie Leerkarten, die Sie mit eigenen, in der jeweiligen Klasse vertrauten Aufgabenformen, füllen können. Die Leerkarte steht im PNG-Format zur Verfügung, so dass sie in jedes Textverarbeitungs- oder Präsentationsprogramm eingefügt und dort mit einem Textfeld versehen und individuell beschriftet werden kann.

Die verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten können bei Bedarf mit den SchülerInnen noch einmal kurz durchgesprochen werden, um ihnen die Entscheidung zu erleichtern, die Aufgabenkarten sollten möglichst mehrfach vorhanden sein.

Nach der Auswahl der Arbeitsweise können sich Gruppen von SchülerInnen bilden, die sich für das gleiche Vorgehen entschieden haben, aber auch eine Partnerarbeit oder Einzelarbeit ist möglich.

Möglicherweise ist an dieser Stelle bereits die Neugierde geweckt, welches Thema im Mittelpunkt des Unterrichts stehen soll und die SchülerInnen fordern es von der Lehrkraft ein. Alternativ kann es hier vorgestellt werden. Die SchülerInnen erhalten nun auch das Textmaterial (Bibel oder Textblätter. Hier finden Sie eine Sammlung von biblischen Ostertexten aus allen Evangelien und als Alternative, auch die Texte der Emmaus-Geschichte und der Thomas-Geschichte)

     2. Erarbeitung

In einer ersten Erarbeitungsphase sichten die SchülerInnen den Text und überlegen sich ein gemeinsames Vorgehen. Sie sammeln gegebenenfalls weitere Informationen, die sie zur Bearbeitung benötigen. Hier kann die Lehrkraft als Unterstützung zur Verfügung stehen. Erfahrungsgemäß kommt es hier zu lebhaften und gewinnbringenden Gesprächen zwischen den SchülerInnen.

Anschließend kann eine kurze Vorstellung des geplanten Vorgehens der einzelnen SchülerInnen und Gruppen im Plenum stattfinden, Hölscher et al. (2009, S. 48) nennen dies die „Redaktionssitzung“. Hier können Anfragen gestellt und Rückmeldungen und Ideen von anderen SchülerInnen aufgenommen werden.

In der nächsten Phase bearbeiten die SchülerInnen und SchülerInnengruppen schließlich das Thema unter den Gesichtspunkten der von ihnen gewählten Aufgabenstellung. Hier können sie ggf. auch auf Ideen und Vorschläge aus dem Feedback der „Redaktionssitzung“ zurückgreifen. Am Ende dieser Phase bereiten sie eine Präsentation ihrer Ergebnisse vor der Lerngruppe vor und üben diese ein. Ziel der Präsentation soll es dabei sein, die eigenen Ergebnisse der Bearbeitung der gewählten Aufgabe darzustellen und auf Nachfragen sicher zu antworten zu können.

     3. Präsentation

Foto: StartupStockPhotos auf Pixabay.com

Am Ende eines jeden Lernszenarios steht als Abschluss eine Präsentation aller in der Lerngruppe erarbeiteten Ergebnisse.

Die verschiedenen vorgestellten Zugangsweisen zum gleichen Text mit ganz unterschiedlichen Methoden bieten hier für alle SchülerInnen der Lerngruppe noch einmal eine Vertiefung des Verständnisses über den eigenen Horizont hinaus.

Auch in der Präsentationsphase sind – je nach gewählter Aufgabe – unterschiedliche Methoden vorstellbar: Von klassischen Plakaten bis zu digitalen PowerPoint-Präsentation, als SchülerInnenvortrag, als Ausstellung mit einer Führung durch die SchülerInnen, als Thementisch, als szenische Darstellung, u.v.m.

Es ist Aufgabe der Lehrkraft, die Reihenfolge der Präsentationen nach didaktisch sinnvollen Gesichtspunkten festzulegen, beispielsweise indem Aufgaben, die sich mit der Aufarbeitung des Textes in Quiz-Formate beschäftigt haben, am Ende der Präsentationsfolge stehen, und somit zum Beispiel eine Lernstandskontrolle in spielerischer Weise erfolgt, ohne direkt von der Lehrkraft initiiert zu werden.

     4. Reflexion

Zum Lernen in der Szenariendidaktik gehört auch die Reflexion der Ergebnisse im offenen Austausch zwischen SchülerInnen und Lehrkraft. In dieser Phase üben die SchülerInnen den Umgang mit konstruktiver Kritik praktisch ein. Am Ende kann eine Reflexion über den Lerngewinn und eine weitere Vertiefung der Thematik folgen.

Fazit: Die Methode der Szenariendidaktik stellt eine Reihe von Herausforderungen an Lehrkraft und Lerngruppe. Die Lehrkraft muß auf gewohnte Konzepte der Unterrichtsgestaltung verzichten und wird vom/von der GestalterIn zum/zur LernbegleiterIn. Die SchülerInnen durchdringen das Thema in ihrer je eigenen Weise, gehen verantwortlich damit um und erwerben sich vielfältige Kompetenzen, z.B. Recherchefertigkeiten, Textverstehenskompetenzen, Vermittlungsfertigkeiten, produktive Kompetenzen u.v.m (vgl. Hölscher et al. 2009. S. 46). Dazu kommt die Erweiterung einer ganzen Reihe von Schlüsselqualifikationen. Hölscher et al. 2009  (ebd.) nennen hier unter anderem Analyse-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, Medienkompetenzen, Kritik- und Reflexionsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer, Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein, aber auch Aufgeschlossenheit, Empathie und Kreativität.

Diese Vielzahl von Kompetenzen, die eingeübt werden, gepaart mit einer motivierenden und stringent schülerInnenzentrierten Methode unterstützt dabei, den SchülerInnen Texte, die im Unterricht oft nur oberflächlich behandelt werden, vertieft und unter verschiedensten Aspekten, die ihren persönlichen Vorlieben und Fähigkeiten entsprechen, nahezubringen. Dies macht den Einsatz des Modells der Szenariendidaktik auch für den Religionsunterricht zu einem lohnenswerten Unterfangen.

Foto: Kris auf Pixabay.com

Haben Sie bereits Erfahrungen mit dieser Methode gemacht? Planen Sie, sie in Ihrem Unterricht auszuprobieren? Haben Sie Ideen, für welche Themen sie sich besonders eignet? Dann schreiben Sie es uns doch einfach in die Kommentare!

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