
Der Stellenwert von Bildung für Papst Leo XIV.
Einschätzungen von Pater Lukas Schmidkunz OSA. Das Interview führte Anja Legge.
Seit dem 8. Mai 2025 hat die katholische Kirche einen neuen Papst. Der Provin- zial der deutschen Augustiner P. Lukas Schmidkunz aus Würzburg kennt Leo XIV. bereits aus seiner Zeit als Generalprior (2001 – 2013). Mehrmals hat Kardinal Robert Francis Prevost die Bayerisch-Deutsche Provinz der Augustiner besucht, war in Fährbrück, Münnerstadt und Würzburg zu Gast. Im Interview erzählt P. Lukas, welche Erfahrungen er mit ihm als Generalprior gemacht hat, welche Prägung Papst Leo als Augustiner mitbringt und was diesem im Hinblick auf Bildung wichtig ist.
Welche Rolle spielt Bildung für die Augustiner?
Für uns Augustiner ist zweifellos der Bildungsauftrag grundlegend. Das sieht man schon daran, dass der Orden weltweit in der Bildungsarbeit tätig ist. Die amerikanischen Augustiner haben eigene Bildungseinrichtungen und betreuen Universitäten, die spanische Provinz betreibt verschiedenste Bildungseinrichtungen von der Elementarschule bis zur Universität. Wir deutschen Augustiner unterstützen unsere Brüder im Kongo, und eines der ersten Dinge, die wir dort tun, ist für Bildung zu sorgen: angefangen von Kindergärten und Primarschulen bis hoch in die Gymnasialstufen.

Und wie ist das mit Papst Leo XIV. selbst? Er war ja selbst in der Bildungsarbeit tätig, hat zehn Jahre als Professor an einem Priesterseminar in Peru gelehrt und ein Ausbildungsprojekt für Ordensanwärter geleitet.
In seiner Zeit als Generalprior hat Kardinal Prevost sehr großen Wert darauf gelegt, dass die Brüder gut vorbereitet in die Pastoral gehen. Ihm war wichtig, dass unsere internationalen Kollegien in Italien, Spanien, Afrika und in den USA die Brüder gut ausbilden – für Seelsorge, Pastoral und Predigt. Und das gilt im Grunde für alle Augustiner. Teilweise bedeutet Pastoral auch, Menschen praktisch in der Umsetzung dessen zu helfen, was sie nicht haben. Und dazu gehört es, zu lernen, zu lehren, Bildung zu erarbeiten – und sei es, wenn es um Ackerbau oder Viehzucht geht.
Ein Beispiel für das Engagement der Augustiner in Forschung und Wissenschaft ist ja das Würzburger Zentrum für Augustinus-Forschung…
Das Zentrum ist aus der Arbeit von Pater Cornelius Petrus Mayer entstanden. Das Augustinus-Lexikon ist mittlerweile abgeschlossen. Und es ist auch das Ergebnis internationaler Vernetzung von Wissenschaftlern verschiedener Länder und Provinzen. Eine wichtige Rolle spielt hier das Patristicum in Rom. Papst Leo schätzt diese zentrale augustinische Forschungsstelle sehr und hat immer darauf gedrungen, dass möglichst viele junge Augustiner dort studieren.
Gilt dieser Stellenwert von Bildung nur für Theologie und Seelsorge oder könnte das auch Grundlage für Bildung im Allgemeinen sein? Könnte Papst Leo hier Impulsgeber für Pädagogen und Lehrkräfte sein?
Es gab da zu Beginn des Pontifikats eine Audienz für Medienschaffende, bei der Papst Leo sinngemäß gesagt hat: Nur informierte Menschen können freie Entscheidungen treffen. Bildung ist also nicht eingegrenzt auf Theologie oder Pastoral. Bildung gehört einfach dazu, damit wir Informationen verarbeiten und dann in unsere Entscheidungsprozesse einfließen lassen können. Auch bei seiner Kritik an J.D. Vance macht er deutlich, dass es nicht darum geht, einen Gedanken aufzuschnappen, auszuschlachten und dann in die Welt zu schicken. Stattdessen sollte man mit Hintergrund, Grips und Köpfchen eine vernünftige Entscheidungsgrundlage schaffen, um dann das, was wichtig ist, daraus folgern und äußern zu können. Papst Leo ist sicherlich kein Mann der Schnellschüsse. So habe ich ihn nie erlebt. Wenn er spricht, dann fundiert und mit einem großen Kenntnis- und Wissenshintergrund, und zwar nicht nur in seinem Spezialgebiet Kirchenrecht, sondern in allen Bereichen. Meiner Wahrnehmung nach hat Papst Leo einen sehr umfassenden Bildungsbegriff. Und das ist etwas, was wir alle uns durchaus zum Ziel setzen können.

