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Geistesgaben (Jes 11,1-3) – Reflexionsebene

Diese Woche in „6 Wochen Be-Geist-erung“: Spannende Möglichkeiten, erlebnisorientierte Elemente zu reflektieren mit Materialien zum Download. Von Matthias Och.

Die erlebnispädagogische Übung ist um – es gongt! Viel zu oft habe ich erlebt, dass für die Auswertung und Übertragung einer Kooperationsaufgabe oder eines erlebnispädagogischen Spiels zu wenig Zeit war. Meiner Meinung nach ist das alleinige Erleben einer solchen Übung noch zu wenig, um dann Gelerntes auch auf den Alltag übertragen zu können. Das „Learning through reflections” finde ich hier einen geeigneteren Ansatz. Auch im Alltag wird uns doch ebenso manchmal erst im Nachhinein klar, welche Bedeutung etwas für uns hat, wenn wir uns darüber austauschen. Deshalb passt der Satz der Freeclimber-Legende Wolfgang Güllich, den ich im Teaser im RelPädNews zur Artikelreihe schon benannt habe, so gut dazu: „Man trinkt nicht nach dem Klettern einen Kaffee, sondern Kaffeetrinken ist Teil des Kletterns!”

Zwischenreflexionen, Spiegeln des Verhaltens der Schüler, Beobachtungsaufträge für Zuschauer, Fotoprotokolle der Übung o.ä. sind deshalb wichtige Bausteine, um ein solches Erlebnis nachhaltig und zum Wert von Bildung machen zu können. Freilich will keiner das Erlebte nur wiederkäuen und zu Tode reden. Die Übertragung auf andere Bereiche des Lebens gelingt aber oft nur, wenn man sich bestimmten Fragen im Zurückerinnern stellt: „Was hat mir in dieser oder jener Situation geholfen? Warum reagiere ich in solchen Grenzsituationen oft so und was wäre sinnvoller?“ Als Hochseilgartentrainer habe ich die Teilnehmer oft noch einmal im Geiste die Übung durchexerzieren lassen und sie haben sich dann fiktiv in der Situation noch einmal gegenseitig interviewt: „Wenn du dich jetzt noch einmal im Geiste zurückerinnerst. was denkst Du gerade, bevor du den letzten Schritt auf den Pfahl steigst? Was gibt dir Mut, was hilft dir in diesem Moment? …“ Auch in einfacheren Kooperationsspielen können so manchmal Gefühle im Nachhinein zur Sprache gebracht werden.

Eine Möglichkeit der Reflexion für eine erlebnispädagogische Übung wäre auch die Sicht mit den Brillen der verschiedenen Geistesgaben nach Jes 11, 13, welche ich passend zum Thema der Be-Geist-erung ausgesucht habe. Im Folgenden sollen diese Gaben des Heiligen Geistes einerseits als Möglichkeit im Sinn von Rollenkarten, die im Voraus verteilt werden, genutzt werden. Andererseits wird auch dargestellt, wie man diese Karten im Nachhinein oder in Zwischenreflexionen für eine Übertragung nutzen kann.

So könnte jemand mit der Impulskarte „Stärke” überlegen, wie er stark für die Gruppe sein kann und was er in der Übung tun könnte, um die Gruppe zu stärken. In der Reflexion hieße diese Karte vielleicht: „Wo habe ich mich bei der Übung ‚stark‘ gefühlt und wo konnte ich anderen etwas Stärke und Halt geben?”

Eine zweite Karte mit „Rat” könnte schon vor der Übung die Anweisung geben: „Du sollst die ‚Beraterin/ der Berater‘ der Gruppe sein. Versuche deine Ideen so in die Gruppe einzubringen, dass alle darüber nachdenken können. Auch fehlerhafte Vorschläge sind manchmal hilfreich, um weiterzukommen.” In der Reflexion könnte die Karte genutzt werden, indem bewusst darauf geschaut wird, welche Tipps man selbst einbringen konnte, welche ich besonders sinnvoll angesehen habe und welche von der Gruppe angenommen wurden. Vielleicht gab es auch Ideen, die gar nicht zum Tragen kamen oder ‚Ratschläge‘, die anderen aufgezwängt wurden.

Die Karte „Einsicht” kann im Vorfeld den Auftrag an einen Teilnehmer geben, dass er oder sie, besonders darauf achtet, dass auch verschiedene Meinungen gehört werden und es nicht bei der Problemlösung durcheinandergeht. Wo ist es sinnvoll auch einmal von einer eigenen Meinung abzurücken und anderen zu vertrauen? In der Reflexion kann diese Karte auch genau diese Momente beleuchten: „Wo habe ich oder jemand anderes Rücksicht auf andere genommen? Wo ist es mir schwergefallen, die Entscheidung der Gruppe anzunehmen? Wo habe ich andere in ihrer Meinung bestärkt oder bin auch einmal von eigenen Vorschlägen abgerückt?”

Die Karte „Weisheit” kann im Vorfeld auch einen geheimen Spielleiter-Tipp enthalten, der die Gruppe weiterbringen könnte. Ohne dass die anderen wissen, dass dies ein besonderer Hinweis ist, kann man so auch im Nachhinein überdenken, wie mit bestimmten Weisheiten umgegangen wird. Auch das Einbauen von „Breaks“ könnte eine Aufgabe der Weisheit sein, um Gehörtes zusammenzufassen und zu überdenken. In der Reflexion kann die Karte genutzt werden, um besonders schlaue Ideen noch einmal hervorzuheben und auch Ideen zu benennen, die vielleicht eine gute Alternative gewesen wären, aber nicht weiterverfolgt wurden. Auch fehlende Geduld in der Problemlösung könnte auf der Reflexionskarte benannt sein. In der Eigenreflexion könnte jeder überlegen, was ihm selbst in einer bestimmten Situation geholfen hat, um diese zu meistern.

Die Karte „Erkenntnis“ könnte als Rollenkarte eines Beobachters genutzt werden, der Problemlösungsschritte genauer beleuchtet. „Wie hat die Gruppe es geschafft, dass…?“ In der Reflexion könnte mit dieser Karte auch eigene Übertragungssituationen gefunden werden. Kenne ich die Gefühle, die bei mir in dieser Aufgabe aufgekommen sind, auch in anderen Situationen? Wären auch in anderen Situationen Alternativmöglichkeiten des Handelns denkbar?

Die Person, welche die Rollenkarte „Gottvertrauen“ bekommt, kann besonders auf gegenseitiges Vertrauen und auf den Umgang in der Gruppe achten, Auch die Rücksichtnahme und Freiwilligkeit kann sie im Blick behalten. In der Reflexion kann mit der Karte auch das persönliche Vertrauensgefühl innerhalb der Gruppe, aber auch darüber hinaus reflektiert werden.

Diese Karten der „Geistesgaben“ können in unterschiedlichen erlebnispädagogischen Aufgaben genutzt werden. Als Übungen seien hier noch einmal Beispiele, wie Murmelbahn, Eisschollenspiel, Spinnennetz oder auch kleine Abenteuer im Schullandheim in der Natur benannt. Gerade die Möglichkeit die Karten für Beobachter oder als Reflexion zu nutzen, wäre auch in einem Spiel denkbar, welches man gut im Klassenzimmer durchführen kann und hier als AB zum Download bereitsteht, das Gruppenpuzzle bzw. Spiel der Stummen.

Andere oben genannte Spiele findet man nach etwas Recherche mit Beschreibung auch im Internet oder in Materialbüchern zu Erlebnispädagogik. Hier sind noch einmal ein paar Möglichkeiten benannt:

https://www.super-sozi.de/category/kooperationsaufgaben/

https://new-institut.com/spiel/erlebnispaedagogische-spiele-fuer-lehrer-innen/

Praxisbuch z. B. Senniger, Tom: Abenteuer Leiten – in Abenteuern lernen: Methodenset zur Planung und Leitung kooperativer Lerngemeinschaften für Training und Teamentwicklung in Schule, Jugendarbeit und Betrieb. Ökotopia 2012.

Bild: Gerhard Altmann auf Pixababy.com, bearbeitet

 

 

 

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