Theorie und Praxis

„Du lenkst in deiner Güte dein Volk, das du erlöst hast!“ (Ex 15,13)

Diese Woche bei „6 Wochen Be-Geist-erung“: Gemeinschaftsaufgaben in verschiedenen Schwierigkeitesniveaus. Von Matthias Och.

Als “Volk Gottes unterwegs”, “Kirche unter den Menschen”, “Koinonia” – zu Kirche gehören Gemeinschaftserfahrungen und natürlich gilt es diese vor allem in einer Klassengemeinschaft zu fördern. Gerade in herausfordernden Aufgaben wachsen Menschen zusammen, deswegen sind Teambuilding-Maßnahmen heute als obligatorisch. Auch die Bibel ist voll von Geschichten und ihren Erlebnissen von Gemeinschaft, ob die Jünger Jesu auf dem See, Abraham und seine Familie auf dem Weg ins gelobte Land oder Mose beim Auszug aus Ägypten.

Eine einfache Übung für das Klassenzimmer ist z.B. der Eddinglauf. Hier benötigt man so viele Stifte oder Stöcke, wie es Teilnehmer der Gruppe gibt. Im Kreis hält nun jeder mit seinem Nachbarn zusammen einen Stift, indem er ihn mit einem Finger gegen den Finger eines anderen drückt. Die Gruppe hat nun Verbindung durch Finger und Stifte und muss den Druck aufrechterhalten. Im Kreis soll die Gruppe nun einen Hindernisparcour (angepasst je nach Klassensituation leichter oder schwerer) begehen, ohne dass ein Stift zu Boden fällt. Falls dies passiert, muss die Gruppe von vorne beginnen. Gemeinsam kann so unter und über Tische geklettert werden, um Pylonen herum balanciert und sogar Treppen gemeistert werden. Der Anspruch kann hier bei mehreren Versuchen gesteigert werden (beginnend mit einem einfachen Ortswechsel der Gruppe an einen bestimmten Punkt). Besonders reizvoll ist diese gemeinsame Reise, wenn man diese draußen zwischen Bäumen etc. als Hindernissen fortführt.

Eine weitere Gemeinschaftsübung ist das Weitergeben einer Bandschlinge, während sich die Gruppe im Kreis an den Händen hält und diese Verbindung nicht lösen darf. Die Bandschlinge liegt auf den Händen und muss einmal im Kreis umher gegeben werden, ohne dass jemand die Hände loslässt. Es wird zu einer besonderen Herausforderung, wenn sich auch die Finger nicht aus dem Handgeben lösen dürfen.

Beispielhaft soll hier noch eine weitere Übung in Verbindung zur Exoduserzählung beschrieben werden: Die blinde Karawane.
Nachdem die Geschichte des Exodus behandelt wurde, könnte die folgende Aktivität als Vertiefung dienen, um die emotionale Erfahrung des Aufbruchs ins Unbekannte nachvollzogen werden kann. Alternativ könnte auch eine Parallele zur Situation von Abraham (Genesis 12, 1-7) gezogen werden.

Photo: Matthias Och

Die Übung besteht darin, eine „blinde Schlange“ zu bilden, bei der alle Teilnehmer mit verbundenen Augen und einer Hand auf der Schulter des Vordermanns durch einen Hindernisparcours geleitet werden. Vorher wählt die Gruppe einen Anführer, der ebenfalls blind ist und die Gruppe leitet. Dies kann auch von der Lehrkraft vorgegeben werden, sodass hier einmal ein Schüler zum Zug kommt, der sonst nicht immer im Mittelpunkt der Peergroup steht. Weiterhin wird eine Person gewählt, die symbolisch für die Verbindung zu Gott steht und außerhalb der Gruppe steht. Diese Person kann durch nonverbale Signale wie klatschen, summen, pfeifen oder schnipsen die Hindernisse an den Anführer weitergeben. Dies soll jedoch nicht vorgegeben werden, sondern die Ideen der Gruppe erprobt und gegebenenfalls korrigiert/ verbessert werden. Die einzige Vorgabe ist, dass die Verbindungsperson nicht anfassen und nicht sprechen darf. Je nach Schwierigkeitsgrad des Parcours können vorab geheime Zeichen zwischen dem Anführer und der Person, die den Mittler zu Gott repräsentiert, konkret vereinbart werden. Zusätzliche Hilfsmittel wie ein Stock als Blindenstab für den Anführer können ebenfalls genutzt werden. Der Prozess der vorherigen Absprache innerhalb der Gruppe ist hierbei sehr wichtig. („Was könnte uns helfen, dass wir in der langen Schlange auch hinten noch das Hindernis wahrnehmen?“, „Welche Absprachen wären im Voraus wichtig?“ etc.)

Als Hindernisse können Engstellen (z. B. durch Pylonen oder Tische/ Stühle/ Bäume), Höhenunterschiede (z. B. einzelne Stufen, niedrig gespannte Seile, unebenes Gelände usw.) dienen. Die Sicherheit sollte dabei stets oberste Priorität haben. Die Lehrkraft sollte die Schwierigkeit des Parcours entsprechend der Schülerinnen und Schüler anpassen und potenzielle Gefahrenstellen absichern. (Ein Stolpern der ganzen Gruppe kann gefährlich werden!) Schüler, die nicht teilnehmen möchten, sollten respektiert werden und können als zusätzliche Sicherheitspersonen eingesetzt werden. (So muss bei Treppenstufen beispielsweise besondere Maßnahmen getroffen werden.) Auch Aufgaben, wie fotografieren (als Fotoprotokoll) oder „Schülerkommentare notieren“, können vergeben werden und im Nachhinein als sinnvolle Reflexionsgrundlage dienen. Der Sicherheitsaspekt muss auch im Voraus unbedingt mit der Klasse besprochen werden. Schließlich macht auch die Übung nur Sinn, wenn ich darin Vertrauen erfahren kann und nicht Rücksichtslosigkeit.

Die Übung kann nach ersten Herausforderungen unterbrochen werden, um Eindrücke zu reflektieren, Gefühle zu besprechen und Verbesserungen vorzuschlagen. Um die Verbindung zur Bibelstelle zu verstärken, können während dieser Zwischenbesprechungen Ausschnitte aus dem Bibeltext wiederholt werden, um eine direkte Verknüpfung mit eigenen Erfahrungen herzustellen.

Photo: Matthias Och

 

Mögliche Zwischenimpulse durch Bibeltextstellen und Teilstrecken:

  • „Genau an jenem Tag führte der Herr die Israeliten aus Ägypten heraus, an der Spitze ihrer Scharen.“ (Ex 12,51)

Beginn der Übung, erste Wegstrecke z. B. mit unterschiedlichem Bodenuntergrund, erste Kurven

  • „Als man dem König von Ägypten meldete, das Volk sei geflohen, änderten der Pharao und seine Diener ihre Meinung über das Volk und sagten: Wie konnten wir nur Israel aus unserem Dienst entlassen! Er ließ seinen Streitwagen anspannen und nahm seine Leute mit.“ (Ex 14,5f) „Die Ägypter jagten mit allen Pferden und Streitwagen des Pharao, mit seiner Reiterei und seiner Streitmacht hinter ihnen her und holten sie ein, als sie gerade am Meer lagerten.“ (Ex 14, 9a)

Erste Herausforderungen schaffen, z. B. Wegstrecke mit Kurven in einer bestimmten Zeit zügiger bewältigen.

Wichtig für die Sicherheit: Blind rennen in einer Schlange ist nicht sinnvoll und kann schnell gefährlich werden! Auf zügiges Gehen bestehen!

  • „Haben wir dir in Ägypten nicht gleich gesagt: Lass uns in Ruhe! Wir wollen Sklaven der Ägypter bleiben; denn es ist für uns immer noch besser, Sklaven der Ägypter zu sein, als in der Wüste zu sterben. Mose aber sagte zum Volk: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen, und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet.“ (Ex 12, 12 f)

Größere Herausforderung im Parcours, z. B. Engstellen als Schlange durchlaufen ohne die Seiten (z. B. durch Stühle rechts und links definiert) zu berühren, kleinere Stufen oder einen Seilüberstieg bewältigen.

Wichtig für die Sicherheit: Hier ohne Zeitdruck gehen lassen und bei größeren Herausforderungen selbst auf die Sicherheit schauen!

  • „Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der Herr vom Berg her zu: Das sollst du dem Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden: Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein.“ (Ex 19, 3-5)

Abschluss der Übung: Die Gruppe soll in ein definiertes Ziel gelangen, z. B. markierter Kreis auf dem Boden, in den die ganze Menschenschlange nur schneckenförmig gelangen kann. Für die Erreichung des Ziels sollte eine kurze Besprechungsphase vorgeschaltet werden und die Schüler selbst eine Lösung finden, die sie dann wieder blind erreichen können.

Im Ziel kann auch das Augenöffnen in besonderem Maß zelebriert werden, indem die Schüler die Augenbinden erst nur kurze Zeit öffnen dürfen, bis sie nach dem ersten geblendet Sein, etwas erkennen können und dann die Augen noch einmal schließen sollen. Impulse könnten sein: „Du hast nach einer langen Reise, in der du nichts gesehen hast und nicht wusstest, wo du landest, einen ersten Blick der Umgebung erhascht. Was geht dir durch den Kopf? Was denkst du, wenn du wieder sehen kannst? Was hast du erkennen können und was für ein Gefühl hattest du dabei?“

In der Reflexion können die Erfahrungen noch einmal im Nachhinein genauer betrachtet und durch Ausdrucksmöglichkeiten gestaltet werden, z.B. durch die Gestaltung einer persönlichen Landkarte der Wanderung oder dem Legen einer Schnur, wie es sich angefühlt hat mit Unsicherheit und unterschiedlichen Wahrnehmungen. Auch Verknüpfungen zu anderen persönlichen Erlebnissen können gezogen werden. Auch Bibelerzählungen, die den Schülern schon aus anderen Themenbereichen bekannt sind (z.B. Abrahams Aufbruch in ein unbekanntes Land) können verglichen werden bzw. eine fiktive Unterhaltung zwischen den Protagonisten aufgeschrieben werden.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

 

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