Medien und Digitalität

„Echte“ Fotos versus KI?

Zwei Erfahrungsberichte. Von Anja Legge und Barbara Mack.

Gerade im Gegenstandsbereich „Bibel und Tradition“ scheint es auf den ersten Blick besonders schwer, Fotos einzusetzen. Denn: Bilder aus der Zeit Jesu‘ gibt es schlichtweg nicht. Doch wer sich in-ensiver mit den alten Texten befasst, wird rasch feststellen, dass man durchaus gewinnbringend mit Fotos im Religionsunterricht arbeiten kann. Die Frage ist nur: Was eignet sich besser bzw. ist leichter umsetzbar: „Echte“ Fotografien oder KI-generierte Bilder?

Anhand dreier biblischer Texte – die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10, 46–52), das Gleichnis vom Senfkorn (Mt 13, 31) und der alttestamentliche Psalm 104 – haben Barbara Mack und Anja Legge die Probe aufs Exempel gemacht: Während die Journalistin Anja Legge mit ihrer Kamera echte Fotos zu den jeweiligen Themen geschossen hat, hat Barbara Mack, Referentin für Religionsunterricht und Digitalität in der Abteilung Schule und Hochschule, verschiedene KI-Tools von Midjourney über ChatGPT bis ReveArt mit entsprechenden Prompts gefüttert.

Analoge Fotos versus KI – Errkennen Sie den Unterschied? Klicken Sie sich durch die Bildergalerie, die für dieses Projekt entstanden ist. Wenn Sie die Maus über die Bilder bewegen, können Sie überprüfen ob Sie richtig liegen!

Wie die beiden vorgegangen sind, was bei der Erstellung von Fotos für den Unterricht zu beachten ist und welche Vorteile und Grenzen die beiden Vorgehensweisen bieten, zeigen die beiden Erfahrungsberichte.

„Echte Fotos“ – Authentisch und nah an der eigenen Lebenswelt – Anja Legge

Foto: Privat

„Mit welchem Foto würdest Du Jesu Heilung des blinden Bartimäus illustrieren?“ Keine einfache Frage für eine (Foto-)Journalistin, die 2000 Jahre nach Jesus auf dieser Erde lebt. Um eine Vorstellung von der Aufgabe zu bekommen, habe ich mir die einzelnen Bibeltexte zunächst einmal intensiv vorgenommen, darin nach allgemeingültigen Bildern gesucht und versucht, Links ins Hier und Heute zu schaffen.

Bei der Heilung des blinden Bartimäus haben mich drei Aspekte angesprochen: Im Markus-Evangelium berührt Jesus Bartimäus nicht, allein sein Glaube bewirkt die Heilung. Ich habe mir vorgestellt, wie es sich wohl anfühlt, wenn ein Mensch nach einem Leben in Dunkelheit plötzlich die Augenbinde abnimmt und zum ersten Mal in den Himmel schaut. Inspiriert haben mich auch die Worte der Menge: „Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich“. Sie ermutigen den in meiner Vorstellung an Krücken gehenden Bettler dazu, freudig loszulaufen. Und schließlich sind Erinnerungen an andere Bibelstellen aufgetaucht, in denen Jesus Blinde durch Berührung heilt. Bewusst habe ich meine Motivideen ohne Kitsch und Kulisse inszeniert. Denn auf diese Weise spielen reale Fotos ihr Plus aus: Weil sie eben reale Situationen zeigen, bringen sie Authentizität, Glaubwürdigkeit und eine starke emotionale Qualität mit. Dies gilt für die Abbildung von Menschen, macht sich aber auch bei lokalen Bezügen bemerkbar: Die vertraute Umgebung – auf meiner Straße, in meiner Stadt, zwischen Wiesen und Feldern – macht es leichter, mich in die biblische Situation einzufühlen; das Abgebildete bekommt Relevanz für mein eigenes Leben. Ganz wichtig beim Fotografieren von Menschen: Die Persönlichkeitsrechte müssen immer (!) gewahrt sein, die Erlaubnis der Abgebildeten zwingend eingeholt werden.

Beim Gleichnis vom Senfkorn tauchten sofort Bilder von Senfsaat und einem großen Baum auf, in dem die Vögel nisten. Das Fotografieren erwies sich dagegen als anspruchsvoller. Eine gute Kamera, etwas fotografisches Gespür und Knowhow sind hilfreich, weil das zu besseren Ergebnissen führt. (Wobei auch Handyfotos mittlerweile eine erstaunlich gute Qualität liefern.) Und: Es braucht eine ganze Reihe von Anläufen sowie Zeit zum Sortieren und für die fotografische Nachbearbeitung. Doch der Aufwand lohnt sich: Die Bilder vom Senfkorn bestechen durch Schärfe, Detailtreue und das Spiel zwischen Vorder- und Hintergrund: vorne das klitzekleine Senfkorn, hinten der mächtige Baum. Verbunden wird beides durch die Jesus-Worte im Gleichnis, die ahnen lassen, was aus einem ganz kleinen Anfang entstehen kann.

Der Schöpfungspsalm 104 schließlich quillt geradezu über vor wunderschönen Bildern. Die ganze Vielfalt dieses prallen Naturpanoramas auf ein Foto zu pressen, ist unmöglich. Hier stoße ich mit meinem Fotoapparat an die Grenzen des Machbaren, muss mich auf ein paar wenige Aspekte beschränken. Als hilfreich hat sich dabei mein großer Bilderfundus erwiesen. Sammeln lohnt sich! Wer das nicht hat, kann natürlich auch auf Fotodatenbanken im Internet zurückgreifen, wobei hier Vorsicht bei Nutzungsbedingungen und Bildrechten geboten ist. Und: Bessere Fotos sind meist nicht kostenlos erhältlich.

KI als Partnerin: Wenn innere Bilder Form annehmen – Barbara Mack

Foto: Bernd Winkel

„Mit welchem Bild würdest du Jesu’ Heilung des blinden Bartimäus illustrieren?“ – Diese Frage ist auch für mich – als Referentin für Religionsunterricht und Digitalität und zugleich leidenschaftliche analoge Amateurfotografin – eine Herausforderung. Denn ein Bild soll im Religionsunterricht mehr sein als bloße Illustration: Es soll zum Nachdenken anregen, den Kern des biblischen Textes visuell erfahrbar machen und sich sinnvoll in den Unterricht einfügen.

Was mich an der Arbeit mit KI-Bildern so fasziniert: Bevor die KI ein Bild erzeugen kann, muss es zuerst in meiner Vorstellung entstehen. Anders als bei der Fotografie inspiriert mich kein sichtbares Motiv, keine Szene vor meinen Augen. Stattdessen entwickelt sich das Bild ganz aus dem, was der Text in mir auslöst – aus meinen Fragen, inneren Bildern und Deutungsimpulsen. Ich frage mich: Wie könnte Glaube sichtbar werden? Wie lässt sich das Wunder der Heilung in ein Bild übersetzen?

Das Besondere: Ich muss mein inneres Bild dann sprachlich formulieren. Erst über diesen Umweg, über die Wahl meiner Worte und die Struktur des Prompts, kann das Bild Gestalt annehmen. Für Bartimäus entstand so eine Szene, in der sich seine Hand und die Hand Jesu ausstrecken, ohne sich zu berühren – angelehnt an Michelangelos berühmte Darstellung der Schöpfung. KI ersetzt nicht die Fotografie. Aber sie erweitert unseren didaktischen Werkzeugkasten und ist eine große Hilfe, gerade im Schulalltag, wo es oft schnell gehen muss, Bildrechte unklar sind und das eine wirklich passende Motiv einfach nirgends zu finden ist. Wo man früher lange suchen und Kompromisse eingehen musste, liefern KI-Generatoren heute in kurzer Zeit überzeugende Ergebnisse – und Spaß macht das Gestalten und Ausprobieren auch noch.

Beim Gleichnis vom Senfkorn wollte ich zeigen, wie aus etwas Kleinem etwas Großes entsteht – nicht in einer Momentaufnahme, sondern indem das ganze Geschehen des Gleichnisses gleichzeitig sichtbar wird: ein Korn, ein Keimling, ein Baum, vereint in einer Komposition. Zudem habe ich mit dem Motiv eines Korns im Licht gespielt, das vom Schatten eines mächtigen Baumes überragt wird.

Psalm 104 schließlich hat mich eingeladen, mit Bildern der Schöpfung zu spielen. Ich wollte in einem einzigen Bild zeigen, wie viel Kraft, Schönheit und Hoff- nung in diesen Versen steckt: ein goldenes Kornfeld bei Sonnenaufgang, ein Weinberg im Hintergrund – Brot und Wein, Schöpfung und Segen, alles auf einen Blick. Aber auch kleinere Szenen aus dem Psalm haben mich beschäftigt: Vögel in den Bäumen, eine offene Hand im Regen, ein angedeutetes Zelt im Nebel.

Natürlich braucht es für die Arbeit mit KI-Bildgeneratoren digitale Kompetenz. Ich muss die Funktionsweise der Tools kennen, mit denen ich arbeite, z. B. DALL- E, Midjourney oder Reve.Art. Ich muss wissen, welche Bildformate möglich sind, wie sich Lichtstimmungen steuern lassen, welche Motive in welcher Anwendung besonders gelingen und wo die Grenzen der jeweiligen KI liegen. Entscheidend ist aber auch, dass ich meine Bildidee so formuliere, dass die KI sie versteht: mit den passenden Worten, in der passenden Reihenfolge, mit den nötigen Details. Denn gute KI-Bilder entstehen nicht zufällig. Ich kann zwar jederzeit einen Prompt eingeben, aber ohne eine klare Vorstellung und eine treffende Beschreibung ist das Ergebnis oft enttäuschend. Wirklich aussagekräftige Bilder entstehen, weil ich zuvor durchdacht habe, was ich zeigen möchte.

Auch die Kosten sollte man realistisch einschätzen: Während einige Programme kostenfreie Einstiege bieten, braucht es für hochwertige Ergebnisse meist ein Abo.

Dann aber kann ich schnell, flexibel und passgenau Bilder erschaffen, die zu meinem Unterricht passen und meinem Material echten Mehrwert verleihen. Und genau das macht KI für mich zu einem wertvollen Werkzeug für den Religionsunterricht.

Unser Fazit

Zunächst einmal: Die Auswahl und Erstellung passender Bilder für den Religionsunterricht erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Motiv und Zeit. Das gilt für KI-Bilder ebenso wie für analoge Fotos. Denn nur so kann eine wirkliche Verbindung zwischen Text und Bild entstehen, die dann auch für die Schülerinnen und Schüler nachvollziehbar ist.

Für welches Vorgehen man sich am Ende entscheidet, hängt stark von Text und Thema, den eigenen Vorlieben und Möglichkeiten, aber auch Intention und Einsatzbereich ab: Es gibt Motive, die man mit KI einfach nicht machen kann (zum Beispiel dokumentarische Wirklichkeit, unwiederholbare Ereignisse, echte Per- sonen, individuelle Geschichten). Hier bleibt Fotografie einfach unersetzlich. Andere Motive wiederum lassen sich nicht mit einer Kamera fotografieren (Samenkorn, Keimling, Jungpflanze und Baum auf einem einzigen Bild). Und es gibt Motive, die sich mit etwas Mühe und exaktem Prompten sowohl fotografisch als auch mit KI- Unterstützung umsetzen lassen (zum Beispiel die offene Hand). Unsere Empfehlung lautet deshalb ganz einfach: Seien Sie mutig und probieren Sie aus!

Weitere Bildbeispiele, kommentierte Links und viele zusätzliche Infos finden Sie auf der begleitenden Taskcard

 

links: Anja Legge/rechts: KI-generiert

 

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