Wenn er mich doch küsste..
Eine Lerntheke zum Hohelied Salomons (Hld). Von Bernhard Pollin. Vorgestellt von Anja Legge.
Komm, mein Geliebter, lass uns aufs Feld hinausgehen! Wir wollen unter Hennasträuchern die Nacht verbringen. Aufstehen will ich denn, will die Stadt durchstreifen, die Straßen und die Plätze, will ihn suchen, den meine Seele liebt. Er küsse mich mit Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist köstlicher als Wein. – WO sollen diese Verse stehen? In der Bibel? Kann nicht sein!“ So oder ähnlich reagieren Jugendliche, wenn sie das Hohelied Salomos zum ersten Mal hören. Für Bernhard Pollin, Studienrat an der Georg-Ludwig-Rexroth-Realschule in Lohr am Main und Fortbildungsreferent für Realschulen, ist dieser Überraschungseffekt bereits der erste Schritt, um seine SchülerInnen zum Nachdenken über Liebe und Sexualität zu motivieren und die Relevanz der Bibel für das ganz normale Leben herauszuarbeiten.
Um das Thema „Liebe und Sexualität“, das im Lehrplan der 8. Klasse Realschule (Lernbereich 1 „Wenn er mich doch küsste …“ – Sexualität als Ausdruck personaler Liebe) verankert ist, konkret im Unterricht zu bearbeiten, schlägt Pollin das Konzept der Lerntheke (Lernzirkel) vor. Dabei erwerben die SchülerInnen die Lerninhalte eigenverantwortlich in Kleingruppen von 4 bis 5 Personen und an einzelnen Stationen. Die Arbeit in Gruppen empfiehlt sich deshalb, „weil die zum Teil sehr anspruchsvollen Aufgaben im Team deutlich leichter zu erarbeiten sind“. Zum anderen löse die vom Alltag ausgehende Diskussion kompetenzorientierte Prozesse (Reflexion und intellektuelle Verdauungsprozesse) aus, die nachhaltiger im Gedächtnis bleiben. Und schließlich, so Bernhard Pollin weiter, „werden soziales Verhalten und Selbstständigkeit trainiert, die SchülerInnen lernen, unterschiedliche Aspekte zu einem Thema zu reflektieren und zu verbalisieren, in diesem Falle in einer angemessenen erotischen Sprache“.
Pollins Konzept ist auf zweieinhalb bis drei Unterrichtsstunden ausgelegt. Zu Beginn stehen das Lied „Power of Love“ von Jennifer Rush und erste Zitate aus dem Hohelied. Nach einer ausführlichen Textbegegnung folgt ein Lehrervortrag zu den Eckdaten, Worterklärungen (zum Beispiel Tauben als Sinnbild für Liebesboten) und theologischen Kernaussagen. Dabei sollte klar werden: „Das Hohelied feiert die Liebe und die menschliche Sexualität. Sexualität ist eine Gabe Gottes. Es geht um die personale Liebe, die jeweilige Person ist nicht ersetzbar.“ Eventuell lässt sich auch die allegorische Perspektive einflechten, denn: „Obwohl Gott mit keinem Wort genannt wird, so schwingt er im Kontext der Heiligen Schrift immer mit“, verdeutlicht Pollin. Der Sprecher zeige, „dass Gott sich auch mit Sinnen und Sinnlichkeit erfahren lässt und öffnet den Weg zur Mystik“.
Wenn der Platz im Klassenraum es zulässt, empfiehlt Bernhard Pollin die Gestaltung in Form von „Lerninseln“, das heißt: An einzelnen Tischen liegen die Aufgaben in Form von Arbeitsblättern aus. Die Stationen können in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden, pro Station werden 6 – 8 Minuten kalkuliert. Gesprächsergebnisse und Überlegungen notieren die SchülerInnen selbständig im Heft. Die fünf Stationen und eine Wahlstation greifen anhand von Zitaten verschiedene Aspekte der Liebe heraus und fordern die SchülerInnen zu alltagsbezogenen und erfahrungsbasierten Antworten auf, also: Was macht für Dich einen Menschen attraktiv? Was hilft gegen Liebeskummer? Wie spricht man angemessen über Liebe? Woran erkennst Du die große, wahre Liebe? Wie äußert sich das Verliebtsein seelisch und körperlich? Wann geht Verliebtsein in Liebe über? Warum ist Liebe ein Geschenk?
Bei der Nachbereitung werden die Ergebnisse detailliert besprochen, verglichen und gegebenenfalls ergänzt. Praktische Hilfe geben dabei Pollins „Leitfragen zur Lernzielkontrolle“.
„Die Stärke der Stunde ist, dass sie sehr alltagsbezogen ist“, so Pollin. „Am Ende erkennen die Schüler: Die Bibel hat etwas zu sagen – auch heute und auch für mich!“ Dass das in Erinnerung bleibt, beweisen übrigens Anrufe ehemaliger Schülerinnen, die nach der Bibelstelle fragen, weil sie das Hohelied bei ihrer Hochzeit lesen wollen.
Den Unterrichtsvorschlag können Sie hier herunterladen: