
Zeigen, was Glauben bewirken kann
Interview mit Bischof Dr. Franz Jung und Dr. Christine Schrappe zum Katholikentag 2026 in Würzburg. Die Fragen stellte Anja Legge.
Vom 13. bis 17. Mai 2026 findet der 104. Deutsche Katholikentag in Würzburg statt. Im Interview sprechen der Würzburger Bischof und die Leiterin der Hauptabteilung Bildung und Kultur über die Relevanz von Kirche und Religionsunterricht, informieren über Schwerpunktsetzungen des Katholikentags und verraten, warum ein Besuch für junge Menschen und Lehrkräfte ein Gewinn sein kann.

Beim Katholikentag in Erfurt 2024 stand vor allem die kirchliche Situation im Osten Deutschlands im Mittelpunkt. Würzburg ist mit seiner starken kirchlichen Tradition und vielen jungen Menschen ganz anders aufgestellt. Welchen besonderen Fokus wird dieses Glaubensfest in Würzburg haben?
Jung: Für den Katholikentag in Würzburg haben wir das wunderbare Motto „Hab Mut, steh auf!“ gewählt. Das heißt: Wir wollen Mut machen aus dem Glauben. Dabei ist es uns wichtig, dass wir nicht auf einem abgeschlossenen Gelände bleiben, sondern Kirche im Herzen der Stadt präsent machen. Gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wollen wir zeigen, was Glaube bewirken kann. Neben vielen drängenden gesellschaftlichen Themen wird die Sozial- raumorientierung ein Schwerpunkt des Bistums sein. Denn für uns ist klar: Die Pastoral der Zukunft muss über die Grenzen der Pastoralen Räume hinaus in die Lebenswelt der Menschen hineinreichen.
Schrappe: So, wie die Würzburger Brücken Stadtteile verbinden, hat auch ein Katholikentag eine Brückenbauer-Funktion – zu anderen Einrichtungen und zu all den Menschen, die nicht kirchlich geprägt und sozialisiert sind. Bei der Programmgestaltung liegt die besondere Stärke Würzburgs sicherlich in der breiten Bildungslandschaft, so dass wir auf viele Ressourcen zurückgreifen können.
Warum wurde das Bibelwort „Hab Mut, steh auf!“ ausgewählt und was kann es gerade jungen Menschen sagen?
Jung: Unsere biblische Referenzstelle ist Jesu Begegnung mit Bartimäus. Der blinde Bettler am Straßenrand, bei dem durch das Kommen Jesu die Sehnsucht erwacht, aus der Opferrolle auszusteigen und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Bartimäus spürt: Da ist mehr drin, ich will nicht nur der Almosen- Empfänger sein, ich will sehen können! Die Frage Jesu „Was willst du, dass ich dir tue?“ ist Sozialraumorientierung pur. Die Antwort „Hab Mut, steh auf!“ kommt interessanterweise nicht von Jesus selbst, sondern von der Menge, die den Blinden auffordert, aufzustehen und zu Jesus zu gehen.
Insofern gilt das Motto für alle Generationen …
Jung: Natürlich, aber für Jugendliche doch ganz besonders. Viele junge Menschen fühlen sich durch die vielen schlechten Nachrichten derart bedrückt, dass sie bewusst abschalten und Nachrichten meiden, weil es sie krank macht.
Schrappe: Zugleich haben Jugendliche ein ganz starkes Interesse daran, dass ihre Zukunftshemen aufgegriffen und angegangen werden. Ich spüre hier eine große Ernsthaftigkeit. Und die Ungeduld wächst! Für Kuscheln und Wohlfühlen ist die Weltlage zu ernst. Hier kann der Katholikentag ein Ansporn sein, sich selbst als wirksam zu erleben.
„Engagierte Katholiken gehören zu den großen Stützen unseres demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens“ sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Erfurt. Ist das so?
Jung: Wenn wir die Kirchenmitgliedschaftszahlen anschauen, sehen wir ganz klar, dass religiös beheimatete Menschen sich öfter ehrenamtlich engagieren.
Aber Zahlen sind ja nicht alles … Welche Relevanz hat das Christentum denn in einer pluralistischen Gesellschaft?
Jung: Unsere wichtigste Aufgabe ist es, den Himmel offen zu halten und in einer Welt, in der alles funktional ist, an die Dimension der Transzendenz zu erinnern. Kirche ist ein Ort, wo nicht alles verzweckt ist, wo mir etwas geschenkt wird, wo ich zu mir kommen und mich öffnen kann, damit der Herr mir Worte der Heilung zusprechen kann. Wir Menschen brauchen diese andere Dimension. Nicht umsonst waren bei vergangenen Katholikentagen gerade geistliche Angebote sehr gefragt.
Schrappe: Die Relevanz von Kirche hat nichts mit Lufthoheit über die Stammtische zu tun, sondern mit der Frage: Haben wir einen Beitrag zu den brennenden ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen? Hier sage ich ganz klar: Ja! Die Diskurse unserer kirchlichen Jugend- und Erwachsenenbildung finden auf hohem Niveau statt. Unsere Veranstaltungen in Kooperation mit Universität, Wirtschaft, Medien, Kultur und Bildungseinrichtungen sind von hoher Qualität und haben einen weit besseren Ruf als wir es selbst vielleicht wahrnehmen.
Da befremden Aussagen, dass Kirche sich nicht zu politischen Themen zu äußern habe und lieber Trost und Stabilität spenden solle.
Jung: Genau das tun wir. Aber wir werden das andere nicht lassen! Wie gehe ich mit dem Fremden um? Was heißt Vergebung? Wie geht Partnerschaft? Wie kann eine Friedensethik in Zeiten des Krieges aussehen? All das sind große Fragen, zu denen wir als Christen unsere Perspektive einbringen können und müssen.
Schrappe: Auch wenn der regelmäßige Vollzug gottesdienstlicher Formen abnimmt: Kirche ist in der Lage, ein biblisches Hoffnungspotential vorzuhalten. Dieses spirituelle Grundwasser können wir immer anzapfen – gerade in Krisenzeiten wie diesen.
Unsere Religionslehrkräfte wollen junge Menschen dazu ermutigen, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen. Wie unterstützt die Bistumsleitung hier?
Jung: Ich weiß sehr genau, dass Lehrkräfte bei der Verkündigung in erster Reihe stehen und ungefiltert zu hören bekommen, wie junge Menschen Welt und Kirche wahrnehmen. Bei Diskussionen müssen sie mit ihrer ganzen Person für das einstehen, was sie verkündigen. Das ist extrem herausfordernd, und deshalb wollen wir unsere Lehrkräfte – etwa durch regelmäßige Kontaktangebote und Schulbesuche – gezielt stärken, ermutigen und ihnen versichern: Schule ist ein wichtiger pastoraler Ort der Verkündigung.
Schrappe: Neben der intensiven Personalfürsorge investieren wir sehr viel in die Fort- und Weiterbildung und lassen auch bei der Ausbildung nicht nach, damit unsere Lehrkräfte sich den Diskursen unserer Zeit kompetent stellen können. Dafür ist der Katholikentag eine positive Schubkraft.
Unsere Lehrkräfte sind beständig auf der Suche nach praktisch-didaktischen Anregungen für den Unterricht. Könnten sie auf dem Katholikentag fündig werden?
Schrappe: Das Religionspädagogische Institut, das Medienzentrum der Schulabteilung und die Presse- und Marketingabteilung des ZDK werden bereits im Vorfeld didaktisch-inhaltliche Anregungen bereitstellen. Auf dem Katholikentag selbst werden sich auf der Kirchenmeile zahlreiche Einrichtungen präsentieren. Das wird eine wahre Material-Fundgrube für Religionslehrkräfte. Und auch der Katholikentag selbst lässt sich in den Unterricht einbauen – ob nun im Hinblick auf die neuere Kirchengeschichte oder biblische Themen.

Werden Schülerinnen und Schüler sowie Studierende bei der Programmgestaltung ins Boot geholt – nach dem Motto: „Von jungen Menschen für junge Menschen“?
Schrappe: Die Katholikentagsleitung hat dafür erstmals eine AG „Junge Perspektive“ eingerichtet. Hier entwickeln junge Menschen Programmangebote für ihre Generationen. Darüber hinaus hat die kja über 40 Programmvorschläge für den Bereich „Junge Lebenswelten“ im Programmbewerbungsverfahren eingegeben.
Welche Themen brennen jungen Leuten denn unter den Nägeln? Worum wird es bei den Diskussionsforen und Bildungsangeboten gehen?
Schrappe: Schon beim ersten Themenkonvent mit rund 100 Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen kamen alle drängenden Probleme unserer Zeit zur Sprache – Klima, Gerechtigkeit, Migration, Dialog der Religionen, Frieden, Informationstechnologie und Digitalisierung, Generationengerechtigkeit, alternde Ge-sellschaft, nachhaltiges Wohnen, Solidarität, Biodiversität, Artenschutz und und und …
Jung: Regional interessant ist sicherlich die Zukunft des Gesundheitswesens angesichts von Krankenhaus- und Pflegenotstand. Oder aber Fragen rund um die sozial-ökologische Transformation, Arbeitsplatzsicherheit und den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Jugendliche schätzen freiere liturgische Formen. Sind „spirituelle Tankstellen“ für das junge Publikum in Planung?
Jung: Auf jeden Fall! Viele junge Menschen fühlen sich beim Thema Gebet allein gelassen, und da gibt der gemeinsame Vollzug einfach Kraft. Ein Renner wird der Abendsegen sein: In einer großen Gemeinschaft still zu werden und den Tag abzuschließen, das hat schon eine starke geistliche Kraft. Begehrt sind immer die Bibelarbeiten in dialogischer Form, bei denen sich jede und jeder einbringen kann. Dann ist uns natürlich das Würzburger Lectio-Divina-Projekt wichtig, das bundesweit Beachtung gefunden hat und von der Deutschen Bischofskonferenz aufgegriffen wurde. Stark vertreten sein werden auch Angebote zu Bibliolog und Bibel-Teilen sowie Formate wie die „Nacht der Hoffnung“ und Taizé-Andachten.
Das heißt, für junge Leute und Schulklassen wird sich der Besuch lohnen?
Schrappe: Absolut. Viele Schulen wollen sich mit spirituellen Räumen, Bands, Tanz und Schulchören einbringen. Außerdem darf man auf das bunte Kulturprogramm und die Konzerte gespannt sein. Für junge Leute interessant ist die digitale Katholikentags-App, mit der man sich gezielt das ganz persönliche Tagesprogramm zusammenstellen kann. Und dann natürlich das „Mutmach-Ticket“ für alle zwischen 12 und 25 Jahren – eine Dauerkarte für 25 Euro inklusive Mobili- tät in der Innenstadt.
Welche Botschaft sollen junge Menschen aus dem Religionsunterricht und vom Katholikentag mit ins Leben nehmen?
Jung: Die erste Botschaft ist: „Hab Mut, steh auf!“ Zweitens ist uns wichtig, dass wir als Kirche nicht nur Wissen vermitteln, sondern Persönlichkeit bilden. Kin- der und Jugendliche sollen Religion als etwas erfahren, das ihnen Orientierung, Stütze und Halt gibt – einen Halt, der das eigene Verhalten prägt. Hier sollen sie Sinn erfahren und Zugang zu unseren geistlichen Ressourcen erhalten – für mehr Resilienz in Krisenzeiten. Bei meinem letzten Besuch der Maria-Ward-Schule habe ich Schülerinnen der Abschlussklasse gefragt, was sie von der Schule mitnehmen. Die Antworten waren: Freundschaft, das Wissen, angenommen zu sein, eine Gemeinschaft, die mich trägt, Gebet. Mich hat das sehr beeindruckt, es war ehrlich und es macht mir Hoffnung!


