Schulpastoral und Spiritualität

Schulpastoral: Der Mensch im Mittelpunkt

Schulpastoral gehört zu den zentralen Handlungsfeldern der Kirche. Von Anja Legge.

Vor 25 Jahren haben sich die deutschen Bischöfe erstmals ausführlich zum Thema Schulpastoral geäußert und Schule als wichtigen Ort pastoralen Handelns bestimmt. Nach Jahren des Schweigens gibt es jetzt eine neue Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz über die Rolle der Schulpastoral. In ihrem Dokument „Im Dialog mit den Menschen in der Schule“ legen die Oberhirten „Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Schulpastoral“ vor und betonen deren Bedeutung im Lebensraum Schule.

Für Helga Kiesel und Ulrich Geißler, die beiden Referenten für Schulpastoral im Bistum Würzburg, ist das Dokument eine „echte Bestärkung“. Inhaltlich benenne das Papier nämlich nicht nur die Chancen angesichts neuer Herausforderungen, sondern lege zugleich fest, dass Schulpastoral in allen Bistümern aufgegriffen und umgesetzt wird. Was die beiden besonders freut: Auch das Bistum Würzburg hat dieses Handlungsfeld explizit in seine Schwerpunktsetzungen für die nächsten Jahre aufgenommen und bestätigt damit die Relevanz schulpastoraler Angebote für die Zukunft.

Vom Lernort zum Lebensraum

Für das Team des Referats Schulpastoral, zu dem auch Helga Neudert (Ganztagsschulbildung) und Michael Heiß (Krisenseelsorge) gehören, liegt der Grund für die nun erfolgte Ermutigung auf der Hand: „Der Lernort Schule hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt zum Lebensraum für viele Menschen entwickelt“, erklärt Ulrich Geißler: Schule sei „ein Ort pastoralen Handelns, an dem wir als Kirche noch mit vielen Kindern und Jugendlichen in Kontakt treten. An keinem anderen Ort ist die Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft heute so groß“, so Geißler.

In den Schulen verwirklicht wird Schulpastoral durch 32 Religionslehrer/innen im Kirchendienst, vier Pastoral- und Gemeindereferent/innen und drei Priester. Hinzu kommen viele staatliche Lehrkräfte aller Schularten, die auch ohne offiziellen Stempel im persönlichen und ehrenamtlichen Einsatz für ihre Schüler und Schülerinnen da sind und immer wieder Projekte anstoßen. Im Gegensatz zum Religionsunterricht sind schulpastorale Angebote weder Pflicht noch an einen Lehrplan gebunden. „Hier steht der Mensch im Mittelpunkt, mit seinen schönen Erfahrungen, mit offenen Wünschen, aber auch mit seinen Sorgen und Nöten“, verdeutlicht Helga Kiesel. Dies wahrzunehmen und entsprechend darauf einzugehen, sei Ziel und Aufgabe schulpastoraler Angebote.

Bunt und vielfältig

Seit der bischöflichen Erklärung von 1996 gelten die kirchlichen Handlungsfelder Diakonia (Dienst am Menschen), Martyria (Zeugnis geben), Leiturgia (Gefeierter Glaube) und Koinonia (Gemeinschaft) auch als Leitprinzipien der Schulpastoral. Was theoretisch klingt, ist in der Praxis ungeheuer bunt und vielfältig. Aus der Fülle an Aktivitäten, die sich nach Bedarf, personellen Kräften und Talenten an der jeweiligen Schule richten, greift Ulrich Geißler einige heraus: So tragen etwa die Ausbildung von Streitschlichtern, Pausenengeln und Tutoren, Gewalt- und Mob- bingprävention, Tage zur Stärkung der Klassengemeinschaft oder Hausaufgabenhilfen für schwächere Schüler dazu bei, dass sich die Kommunikation verbessert, Konflikte gelöst und Beziehungen intensiviert werden. „Das Schulklima verändert sich merklich. Werte wie Toleranz, Wertschätzung und Respekt werden konkret erlebbar“, so Ulrich Geißler. Pausenzeiten in einem Raum der Stille, Pilgerfahrten, Projekte zu Tod und Trauer, Segensfeiern, Frühschichten oder multireligiöse Feiern sorgen für neue Erfahrungsräume und geben der Spiritualität Raum. An der Realschule Marktheidenfeld etwa hat Geißler vor Jahren einen Schulkreuzweg mit etabliert: „Wenn sich am Freitag vor den Osterferien um 6 Uhr morgens 160 Jugendliche auf den Weg machen, ist das etwas ganz Besonderes“, schwärmt er. Um gelingendes Zusammenleben geht es, wenn Schüler Moscheen und Synagogen besuchen, sich bei Eine-Welt-Projekten engagieren, Schul-Patenschaften knüpfen oder Flüchtlingskinder unterstützen. Aktionen wie die Errichtung eines Waldlehrpfades, der Bau eines Schulgartens oder die Pflege eines Schulaquariums rücken die Themen Ökologie und Schöpfungsbewahrung in den Fokus.

Ansprechpartner und Vertrauensperson

Neben vielfältiger Projektarbeit ist die Begleitung von Menschen im Lebensraum Schule die zweite zentrale Säule schulpastoraler Arbeit. „Viele Lehrer stehen als Ansprechpartner und Vertrauens- person zur Verfügung“, berichtet Helga Kiesel. Erfahrungsgemäß komme dabei die ganze Bandbreite des Lebens zur Sprache – von kleinen Sorgen bis hin zu den großen Themen wie Krankheit oder Tod.

Darüber hinaus gibt es an vielen Schulen speziell ausgebildete Krisenseelsorger. „Etwa 320 Lehr- kräfte sind bereits für den Umgang mit Tod und Trauer an der eigenen Schule qualifiziert“, so Helga Kiesel, die sich in spätestens fünf Jahren an jeder Schule einen Ansprechpartner für Krisenseelsorge wünscht. Für Akut-Situationen wie beispielsweise einen Todesfall, der eine ganze Klasse betrifft, kann außerdem per Notfallhandy das Kriseninterventionsteam hinzugerufen werden. Die Mitarbeiter beraten Lehrer und Schüler, unterstützen bei der Überbringung einer Todesnachricht, gestalten Gedenkfeiern und stehen für Einzel- und Klassengespräche bereit.

Foto: Schulpastoral

Durch die Corona-Pandemie steht auch die Schulpastoral aktuell vor besonderen Herausforderungen. „Gewohnte Angebote konnten und können in bisheriger Form nicht stattfinden“, schildert Helga Kiesel die Lage. Dafür seien viele Kolleginnen und Kollegen in der Notbetreuung sehr präsent – „im Sinne von jemandem, der Zeit hat und zuhören kann, auch als Entlastung für die staatlichen Kollegen und Kolleginnen.“ Um den Kontakt zu den Schülern zu halten und die Belastung und Verunsicherung etwas aufzufangen, haben viele Lehrkräfte zudem neue digitale Formen entwickelt. „An einer Schule hat das Lehrerkollegium getrennt gesungen und den Zusammenschnitt an die Schüler geschickt“, so Ulrich Geißler. Eine Lehrerin habe 30 Schulgottesdienste in Kleinstgruppen gefeiert, und der Schulkreuzweg in Marktheidenfeld ist als Film auf der Schul-Homepage abrufbar. Als Gewinn bezeichnet Helga Kiesel schließlich auch die Padlets – Materialbörsen, die Lehrern und Schülern neue Wege und Formen schulpastoralen Engagements eröffnen. Denn auch wenn Corona irgendwann Geschichte ist: Wegbegleitung, gute Ideen und ein offenes Ohr braucht es weiterhin.

Die Hoffnung srken – Virtueller SchulpastoralTag

Unter dem Titel „Die Hoffnung stärken“ haben die Fachstellen „Schulpastoral“ sowie „Jugendarbeit und Schule der Kirchlichen Jugendarbeit“ am 24. April 2021 den ersten virtuellen Schulpastoral-Tag mit über 160 Teilnehmern durchgeführt. Eingeladen waren staatliche und kirchliche Religionslehrer aller Schularten, Jugendreferenten, Pastoral- und Gemeindereferenten, Diakone, Priester und Ordensleute, Sozialpädagogen und Erzieher, die das Leben in der Schule mitgestalten. Nach einer Videobotschaft von Bischof Dr. Franz Jung konnten die Teilnehmer in 20 Workshops selbst Kraft und Hoffnung schöpfen sowie Wege kennenlernen, die Schule zum Hoffnungsraum machen.

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