
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Fotos als kreativer Zugang in Religionsunterricht und Schulpastoral. Von Anja Legge.
Werbung, Journalismus und Social Media haben die Kraft der Bilder schon längst für sich entdeckt. Fotos sind unmittelbar, sie können Persönlichkeit beschreiben, eine Geschichte erzählen und Emotionen wecken. Vor allem aber: Sie erreichen uns in Bruchteilen von Sekunden und sind damit dem geschriebenen Wort zumindest in dieser Beziehung um Längen voraus. Glück, Optimismus und Vertrauen, aber auch Trauer, Einsamkeit und Angst lassen sich durch Fotos buchstäblich in „nur einem Augenblick“ sichtbar machen. Dass das nicht nur gefühlt, sondern auch faktisch so ist, belegt eine Studie des Massachusetts Institute of Technology. Den Forschenden zufolge erfasst der Mensch ein Bild in nur 13 Millisekunden. Und: Bilder sprechen neben dem visuellen Cortex auch das limbische System im Gehirn an, wo Emotionen verarbeitet werden.
Freude, Sorge, Sinn und Orientierung – genau das sind auch Themen in Religionsunterricht und Schulpastoral. Was liegt also näher, als sich die Vorliebe des menschlichen Gehirns für Bilder zunutze zu machen? Noch mehr als glatt polierte Stock-Bilder treffen Fotos, die wir selbst geschossen haben, in unser Herz. Sie punkten mit Gefühl, Authentizität und Glaubwürdigkeit und stellen eine emotional-kreative Verbindung zwischen Ausdruck und Inhalt her.
Es ist also durchaus lohnenswert, Schülerinnen und Schüler selbst aktiv und kreativ werden zu lassen. Anlässe gibt es viele, und ein Handy mit integrierter Kamera haben Jugendlichen heute (fast) immer und überall dabei. Am wichtigsten beim Einsatz von Fotos und Fotoaufträgen ist: Es gibt kein richtig oder falsch. Jedes Gefühl ist valide und jedes Foto ist valide. Also: Hirn ausschalten und fühlen – und damit spirituelle Wahrnehmung, Individualität und Selbstwirksamkeit pushen.
Im Religionsunterricht können Fotos zum Einstieg in ein Thema, als Ausgangspunkt für eine Diskussion oder als Denkanstoß genutzt werden. Unter dem Stichwort „Wo sehe ich Gott in meinem Alltag?“ kann man Schülerinnen und Schüler in einer Hausaufgabe dazu auffordern, bis zur nächsten Stunde ein oder zwei Momente, Orte oder Dinge zu fotografieren, bei denen sie Spuren von Transzendenz oder Glauben gespürt haben. Die entstandenen Fotos könnten dann auf einer Lernplattform hochgeladen und in Kleingruppen besprochen werden. Fragen wie „Warum hast du dieses Bild gewählt? Was sagt es über dein Gottesbild oder deine Erfahrung aus? Wähle eine Überschrift für Dein Bild!“ führen irgendwann zur Erkenntnis, dass sämtliche Bilder eine Verbindung miteinander haben. Anbieten würde sich auch, die Fotos anschließend mit passenden Bibelstellen zu verknüpfen.

Ähnlich gut umsetzbar ist der Auftrag, Symbole oder Orte des Glaubens in der eigenen Umgebung ausfindig zu machen und ins Bild zu setzen. Dabei dürfen und sollen bewusst verschiedene Religionen einbezogen werden. Die mitgebrachten Fotos können dann per Beamer präsentiert und erklärt und gedeutet werden: „Was ist eine Kirche, Moschee, Synagoge? Woher kommen die Symbole Kreuz, Davidstern, Halbmond? Warum stehen sie für die jeweilige Religion? Was sagen diese Symbole über den Glauben aus?“
Ganz besonders gut eignet sich auch das Feld der Schulpastoral für den Einsatz von Fotos – will sie doch Kinder und Jugendliche in ihrem persönlichen Suchen und Fragen begleiten und religiöse Er-ebnisse und Erfahrungen ermöglichen. Denkbar ist zum Beispiel die Gestaltung einer Meditationswand mit Bildern zu einem bestimmten Thema. Oder die Schülerinnen undSchüler erstellen gemeinsam eine Foto-Strecke zu einer Frage, die dann über eine App oder Online- Plattform geteilt wird.
Das Themen-Spektrum ist denkbar weit: In einzelnen Projekten kann man etwa Trauer und Angst Raum geben („Wovor habe ich Angst? Was macht mich traurig?“), Stärke und Zuversicht vermitteln („Was macht mir Hoffnung?“), Freundschaft wertschätzen („Freundschaft ist für mich…“) oder Liebe zum Ausdruck bringen („Liebe ist für mich…“). Übrigens: Auch komplexe Fragen wie ethische Dilemmata lassen sich mit nur einem Bild auf den Punkt bringen. Wie gut das funktioniert, zeigen die hier abgedruckten Fotos der drei jungen Frauen Lea, Laura und Pauline sowie der Autorin dieses Textes. Sie alle haben dieselben Schlagworte bekommen und ihre ganz persönlichen Gefühle und Assoziationen ins Bild gesetzt.
Weitere Beispiele aus dem Workshop finden Sie hier:

