„Das haben wir doch gemacht!“ – „Das kannst Du jetzt!“
Themenorientierte und kompetenzorientierte Phasenmodelle im religionspädagogischen Vergleich. Von Stefan Heil und Laura Müssig.
Drucke diesen BeitragDie beiden Zitate „Das haben wir doch gemacht“ und „Das kannst Du jetzt“ aus dem alltäglichen Religionsunterricht stehen paradigmatisch für zwei unterschiedliche Phasenmodelle: das themenorientierte und das kompetenzorientierte Modell. Mit der Einführung des LehrplanPLUS wurden neue didaktische Instrumente entwickelt, um den eingeleiteten Paradigmenwechsel vom Input zum Outcome zu unterstützen. Dazu zählten z.B. Lernaufgaben, Feedbackkultur, Erhebung der Lernausgangslage, Kompetenzangabe und Kompetenzüberprüfung, um nur einige zu nennen. Im Kontext dieser Kompetenzorientierung wurden auch die Phasen des Unterrichts neu konzipiert. Nach der Implementierung der neuen Phasen in der Ausbildung und einer Zeit der Anwendung in der Praxis taucht nun verstärkt die Frage auf, was eigentlich der Unterschied der neuen zu den klassischen themenorientierten Phasen ist und wo der Mehrwert der neuen kompetenzorientierten Phasen liegt.
Der Artikel analysiert dazu aus religionspädagogischer Perspektive Merkmale und Strukturen der klassischen themenorientierten (1) und kompetenzorientierten Phasenmodelle des Religionsunterrichts (2). Auf dieser Grundlage werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede (3) sowie Vor- und Nachteile beider Modelle aufgezeigt (4). Eine kurze Zusammenfassung rundet den Artikel ab (5). Die These des Artikels ist, dass beide Modelle nach unterschiedlichen Strukturen konzipiert sind, einzelne Merkmale jedoch aufeinander bezogen werden können und dadurch kombinierbar sind; will man an den themenorientierten Phasen festhalten, können diese mit kompetenzorientierten Merkmalen erweitert werden, um stärker die Schülerinnen und Schüler in den Blick zu bekommen. Empirische Beispiele aus dem Religionsunterricht der Primar- und Sekundarstufe konkretisieren in einem eigenen Artikel die praktische Umsetzung der Phasen.
- Themenorientiertes Phasenmodell
Phasen
Die klassische Phaseneinteilung im Religionsunterricht teilt das Thema oder die Themen einer Unterrichtseinheit – meist 45 oder 90 Minuten – in unterschiedliche Segmente ein. Ziel ist es, eine „in sich geschlossene Thematik“ (Riegel 2014, 12) so aufzubereiten, dass sie didaktisch-methodisch sinnvoll strukturiert ist und von einer Lerngruppe gut aufgenommen werden kann. Dadurch wird eine eigene „Dramaturgie des Unterrichtsaufbaus“ (Schmid 2012, 21) entwickelt, die sowohl die gegebenen schulorganisatorischen Bedingungen als auch die individuellen Voraussetzungen und Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt. Die folgende Übersicht zeigt die klassische Einteilung der themenorientierten Phasen des Religionsunterrichts:
Abb. 1: Themenorientiertes Phasenmodell
Die Phasen werden in unterschiedlichen didaktischen Ansätzen verschiedenartig bezeichnet (vgl. Scheuchenpflug 2020) und auch nicht alle Ansätze enthalten diesen Phasenverlauf (z.B. Schmid 2012 ohne Themenkonstitution). Grundsätzlich jedoch liegt eine geregelte Phasenabfolge vor, die nach einem bestimmten Ablauf funktioniert: Nach einer Vorphase der Vorbereitung und des gemeinsamen Beginns folgt die Phase der Aufmerksamkeitslenkung auf einen Unterrichtsgegenstand als hinführender Impuls, danach die Themenkonstitution als Darstellung des eigentlichen Themas der Stunde sowie die Erarbeitung des Themas als intensive Beschäftigung mit einem Inhalt oder auch mit mehreren Inhalten. Anschließend erfolgt die zusammenfassende Sicherung für alle Lernenden, danach die Transferphase als persönliche oder sachliche Anwendung des Themas sowie eine Nachphase des Unterrichts, die die Unterrichtseinheit beendet (vgl. Heil 2013, 50-52).
Prinzipien
Klassische themenorientierten Phasenmodelle haben eine eigene Rationalität. Sie basieren auf den Prinzipien Linearität, Taxonomisierung und Abgeschlossenheit:
Abb. 2: Prinzipien des themenorientierten Phasenmodells
- Linearität: Linearität meint, dass die Phasen nacheinander folgen und sequenziell aufeinander aufbauen. Keine Phase darf vor der anderen verwendet werden. In einer bestimmten Zeit (in der Regel 45 oder 90 Minuten) müssen alle Phasen nacheinander durchlaufen und können nicht vertauscht werden.
- Taxonomisierung: Die Linearität ist bedingt durch die taxonomische Orientierung der Phasen. Die klassische Lernzieltaxonomie im kognitiven, affektiven und pragmatischen Bereich geht davon aus, dass sich Lernen in unterschiedlichen Lernschritten vollzieht, die notwendigerweise aufeinander aufbauen. Die Phasen des inhaltsbezogenen Religionsunterrichts folgen diesen Taxonomie-Modellen, in dem sie am Anfang eher niederschwellig die Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, in das Thema einführen und dann weitere taxonomische Schritte folgen lassen, so dass am Ende der Unterrichtseinheit ein Ergebnis vorliegt, das modular abgeschlossen ist (Anderson/Krathwohl 2001; Heil 2013, 45). In dieser taxonomischen Zielorientierung entspricht eine Phase einem Teilziel – das dadurch auch als Phasenziel bezeichnet werden kann. Die Summe der Teilziele ergibt dann das Stundenziel.
- Abgeschlossenheit: Dies leitet über zum Prinzip der Abgeschlossenheit. Die Unterrichtseinheit führt zu einem Ziel, das zum Ende der Einheit vorliegt. In der klassischen 45 oder 90-Minuten-Stunde wird ein Thema behandelt, das nach dieser Stunde in der Regel abgeschlossen ist. „Das haben wir doch gemacht“ ist die klassische Umschreibung für dieses Prinzip: Lerninhalte werden in einer klar umrissenen zeitlichen Einheit in unterschiedlichen Phasen behandelt und als Lernziel dargestellt. In der nächsten Stunde folgt dann das nächste Thema.
Diese Prinzipien werden im klassischen Unterrichtsverlaufsplan oder Artikulationsschema umgesetzt, indem die Phasen passenden Spalten zugeordnet werden wie zum Beispiel Zeit, Teilziele, Inhalte, Medien, und Sozialformen. Dadurch entsteht eine didaktisch-methodisch sinnvolle Rhythmisierung der Lerneinheit. Rhythmisierung bedeutet, dass die Unterrichtseinheit in unterschiedliche Aktivitäten der Lernenden eingeteilt wird, die einem energetischen Schema folgen: Von eher außenbezogenen Aktivitäten am Beginn der Stunde hin zu einer Mitte nach ca. 20 Minuten zu eher innenbezogenen und individuellen Lernaktivitäten nach diesem Wendepunkt. Ziel ist es, durch Wechsel der Phasen, die Lernaktivität der Lernenden kontinuierlich hoch zu halten und rhythmusbedingte Störungen zu vermeiden (vgl. Schmid 2012, 68).
- Kompetenzorientiertes Phasenmodell
Phasen
Mit der Einführung des kompetenzorientierten LehrplanPlus und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel vom „Input zum Outcome“ wurde auch das Phasenmodell neu konzipiert. Ziel ist es, den individuellen Lernfortschritt der Lernenden im Hinblick auf eine zu erwerbende Kompetenz ins Zentrum der didaktisch-methodischen Planungen zu stellen. Die inhaltliche Beschäftigung mit einem Thema ist natürlich nicht verschwunden, wird nun jedoch immer in Relation zu den Lernenden und ihrem Lernerfolg betrachtet. Der inhaltsbezogene Aussagesatz „Das haben wir doch gemacht!“ wird nun ergänzt durch die individuelle Orientierung am Einzelnen, ausgedrückt durch den Satz „Das kannst Du jetzt“.
Das folgende Phasenmodell setzt diesen Perspektivenwechsel für die Rhythmisierung des Unterrichts um (vgl. Heil 2017, 20):
Abb. 3: Kompetenzorientiertes Phasenmodell
Die ursprüngliche Konzeption und Bezeichnung der Phasen stammt vom Amt für Lehrerbildung (vgl. Amt für Lehrerbildung 2011; auch Gandlau 2017). Dieses ehemals fünfphasige Modell wurde von einer Würzburger Arbeitsgruppe für den kompetenzorientierten Religionsunterricht aufgenommen und transformiert (vgl. Heil 2017, 20). So besteht das Würzburger Modell aus folgenden Elementen:
Abb. 4: Bestandteile des Würzburger Modells
Vier größere Phasen: Das Phasenmodell mit vier größeren Phasen hat sich für den kompetenzorientierten Religionsunterricht durchgesetzt; es findet sich in verschiedenartigen Ansätzen mit unterschiedlichen Bezeichnungen wieder (vgl. Katholisches Schulkommissariat in Bayern 2018; Kunkel 2018, 10; Schwaller 2018). Dadurch wird sowohl eine klare Strukturierung des kompetenzorientierten Unterrichts als auch eine flexible Anwendung der Phasen ermöglicht. Die vier größeren Phasen sind zyklisch angeordnet; nicht mehr ihre lineare Abfolge, sondern die Möglichkeit zur Wiederholung und reflexiven Unterbrechung wird dadurch ausgedrückt.
Drei Übergangsphasen: Neben den vier großen Phasen kommt gerade den drei Übergangsphasen als „Gelenkstellen des Unterrichtskonzepts“ (Schwaller 2018, 41) in diesem Modell eine besondere Bedeutung zu. Die Übergangsphasen dienen v.a. der Überprüfung, ob die Schülerinnen und Schüler das Teilziel der vorherigen größeren Phase erreicht haben; gleichzeitig geben sie einen Ausblick auf die folgende Phase (vgl. Katholisches Schulkommissariat in Bayern 2018, 5). Dadurch gewährleisten sie die für einen reibungslosen Unterrichtsfluss notwendige Reflexivität und Transparenz der Unterrichtseinheit
Feedbackphase: Die Feedbackphase schließlich dient im metakognitiven Bereich dazu, den Lernprozess selbst zu reflektieren und zu verbessern. Sie kann an jeder Stelle des Unterrichts vorkommen und ist dadurch flexibel einsetzbar je nach Notwendigkeit, durch Feedback den Lernprozess in Gang zu halten.
Im Einzelnen bedeuten die Phasen Folgendes:
Die Lerneinheit beginnt mit der Phase „Lernen vorbereiten und initiieren“. Die Phase enthält den „Bezug zu Kern- und Schulcurriculum bzw. Lehrplänen, Lernausgangslage, Transparenz der Kompetenzerwartungen sowie affektive und kognitive Aktivierung“ (Amt für Lehrerbildung 2011, 13). Grundsätzlich lässt sich diese Phase einteilen in Vorbereitung des Unterrichts (Beziehungsaufnahme, Organisation, Ordnungsrahmen, Vorbereitung der Medien), gemeinsamer, häufig ritualisierter Beginn und evtl. Rechenschaftsablage, thematische Aktivierung sowie kompetenzorientierte Einordnung (Lernausgangslage, Sequenzeinordnung).
Nach dieser Phase erfolgt die Übergangsphase „Ü 1-2“. Der Übergang dient dazu, die Kompetenzerwartung transparent zu machen und ggf. eine Lernaufgabe einzuführen bzw. wie bei der Themenkonstitution das Thema in Kombination der Kompetenzerwartung zu benennen. Häufig wird hier auch in einer 45 oder 90 Minuteneinheit eine „Challenge“ eingeführt, die Schülerinnen und Schüler motivieren soll und am Ende der Einheit überprüft wird.
Die Phase „Lernwege eröffnen und gestalten“ bezieht sich auf „Situierung, Anforderungssituationen (Lernaufgaben), Anknüpfung und Vernetzung, Konstruktion und Instruktion, Dokumentation der Lernwege“ (Amt für Lehrerbildung 2011, 17). In dieser Phase wird die angestrebte Kompetenz sowohl individuell als auch gemeinschaftlich erarbeitet und dokumentiert. Dazu zählen die Erarbeitung, Präsentation und Reflexion von Schülerergebnissen.
Der Übergang „Ü 2-3“ dient nach dieser Phase dazu, ein „individuelles Zwischenfazit zu ziehen, in dem der individuelle Lernstand aufgedeckt und angeglichen wird. Es wird besonderen Wert auf den individuellen Lernfortschritt gelegt, auf den Lernweg zur Kompetenzerwartung hin“ (Heil 2017, 28). Wichtig in dieser Übergangsphase sind sowohl die Zusammenfassung und Bewertung der bisherigen Ergebnisse als auch die Kommunikation über das „Wofür“ des folgenden Medien- und Sozialformwechsels. Dadurch wird ein thematischer und methodischer Übergang zur nächsten Phase geschaffen.
Die Phase „Kompetenzen stärken und erweitern“ wendet die grundgelegten Fertigkeiten und Fähigkeiten auf neue Kontexte an. Diese können persönlich oder sachlich sein und sollen möglichst aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler stammen. Idealerweise handelt es sich um tatsächliche alltägliche Anforderungssituationen oder Fälle.
Die letzte Übergangsphase „Ü3-4“ überprüft nun den gesamten Lernzuwachs der Lerngruppe in Rückbezug auf die Phase „Ü1-2“. Es soll deutlich werden, ob die angestrebten Ziele erreicht worden sind, ob die „Challenge“ bestanden ist. In dieser Phase wird noch nicht bewertet, sondern sie dient als letzter Puffer vor dem tatsächlichen Test. Eventuell müssen die vorherigen Phasen wiederholt werden.
Die vierte Phase „Lernen bilanzieren und reflektieren“ überprüft in standardisierten Tests den Lernzuwachs und reflektiert die entstandenen Lernschritte.
Der Lernprozess kann jederzeit durch die Phase „Orientierung geben und erhalten“ unterbrochen werden, um Feedback und Reflexion zum Lernprozess einzufügen. Diese Phase ist nicht fest in der Reihenfolge, sondern kann jederzeit im Lernprozess platziert werden.
Insgesamt sind im kompetenzorientierten Phasenmodell durchaus Merkmale der themenorientierten Phasen zu finden, sind jedoch mit kompetenzorientierten Teilen erweitert. Dadurch gewinnt das Modell seinen veränderten Duktus.
Prinzipien
Während das Prinzip der Taxonomisierung von Lernzielen auch im kompetenzorientierten Religionsunterricht grundsätzlich beibehalten, jedoch individualisiert wird, treten Linearität und Abgeschlossenheit eher in den Hintergrund. An ihrer Stelle sind Zyklizität und Transparenz leitend:
Abb. 5: Prinzipien des kompetenzorientierten Phasenmodells
- Zyklizität: Zyklizität bedeutet, dass Lehr-Lernprozesse eher wie eine Spirale aufgefasst wurden, die sich über mehrere Unterrichtseinheiten erstrecken können und immer wieder von vorne beginnen können, je nach Lernfortschritt. Dadurch kommt auch der Stellung der einzelnen Unterrichtseinheit in einer Lernsequenz eine größere Rolle zu, da sich die Phasen über mehrere Einzel- oder Doppelstunden erstrecken können oder auch Teile davon genutzt werden und nicht in 45 oder 90 Minuten abgeschlossen werden müssen. Ziel ist es, die Kompetenzerwartung letztlich durch diesen Prozess zu erreichen. Die Phasen können dabei z.T. flexibel eingesetzt werden. Sie werden austauschbar, können sich sogar im Hinblick auf einzelne Lernende überlappen und auch durch andere Phasen wie z.B. das Feedback unterbrochen werden. Gerade im Hinblick auf Reflexivität und Feedback des Lernprozesses können die Phasen ausgetauscht werden.
- Transparenz: Transparenz meint, dass zu jeder Phase des Lernprozesses das Ziel – die Erreichung der Kompetenzerwartung – präsent ist. Erhebung der Lernausgangslage, Themen- und Zielangabe, Zielüberprüfung, Präsenz des Lernprozesses u.a. werden dabei zu wesentlichen Elementen der Phaseneinteilung. Die Transparenz des Lernprozesses macht deutlich, wo die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf ein Thema stehen und welcher Lernprozess noch notwendig ist, um die Kompetenzerwartung zu erreichen.
- Individualisierte Taxonimisierung: Dies leitet über zur individualisierten Taxonomisierung. Dies bedeutet, dass der Lernprozess stark an den einzelnen Lernenden ausgerichtet ist, was natürlich auch an die Phasen rückgebunden ist. Der Lehr-Lernprozess orientiert sich dabei nach wie vor an einem bestimmten Ziel – dem Erreichen der vorgegebenen Kompetenz oder Kompetenzerwartung – der Weg dorthin orientiert sich jedoch sehr stark an den Lernenden und ihrem individuellen Lernfortschritt. Die Phasen können daher je nach Lernfortschritt unterschiedlich für einzelne Lernende sein.
Unterrichtsverlaufsplan
Auch im kompetenzorientierten Phasenmodell werden im Unterrichtsverlaufsplan den einzelnen Phasen bestimmte Medien und Sozialformen sowie Zeitangaben und Teilziele zugeordnet, die jedoch gemäß den Prinzipien flexibel und individuell angewendet werden müssen. So kann sich das Modell über mehrere Unterrichtseinheiten (45 oder 90 Minuten) ziehen, ohne dass es abgeschlossen ist. Die einzelne Unterrichtseinheit wird dabei stärker an die Sequenz rückgebunden als im themenorientierten Phasenmodell. Der Einordnung in die Sequenz kommt daher eine besondere Bedeutung im kompetenzorientierten Modell zu.
- Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Phasenmodelle
Vergleicht man die beiden Phasenmodelle, so können über die genannten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Prinzipien folgende einzelne Unterscheidungen getroffen werden (vgl. zur Füllung Amt für Lehrerbildung 2011; Heil 2017; Schmid 2012; Riegger 2019; Heil 2013):
Abb. 6: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Themenorientierte Phasen | Kompetenzorientierte Phasen | ||
Bezeichnung | Merkmale | Merkmale | Bezeichnung |
Vorphase | · Vorbereitung (Beziehungsaufnahme; Organisation; Ordnungsrahmen; Medien)
· gemeinsamer Beginn (z.B. Begrüßung, Gebet, Meditation u.a.) · evtl. Rechenschaftsablage |
· Vorbereitung (Beziehungsaufnahme; Organisation; Ordnungsrahmen; Medien)
· gemeinsamer Beginn (z.B. Begrüßung, Gebet, Meditation u.a.) · evtl. Rechenschaftsablage · thematische Aktivierung · Ermittlung der Lernausgangslage der SuS · Einordnung in die Sequenz |
Lernen vorbereiten und initiieren |
Impuls | · thematische Aktivierung | ||
Themen-konstitution | · Verdeutlichung des Themas | · Verdeutlichung des Themas, der „Challenge“ oder der Lernaufgabe
· Transparenz der Kompetenzerwartung(en), Mitteilung des geplanten Lernzuwachses |
Ü 1-2 |
Erarbeitung | · Begegnung mit dem Hauptmedium
· Auseinandersetzung mit dem Hauptmedium · Differenzierungen · Präsentation und Reflexion der Schülerergebnisse |
· Schaffung einer Lernstruktur
· Eröffnen des Lernweges im Plenum · Gestaltung individueller Lernprozesse, Differenzierungen · Dokumentation des Lernzuwachses · Präsentation und Reflexion der Schülerergebnisse |
Lernwege eröffnen und gestalten |
Sicherung | · Zusammenfassung
· schriftliche Fixierung |
· Zwischenfazit und individueller Lernstand
· ggf. Wiederholung der Phasen · Erklärung des weiteren „Wofür“ |
Ü 2-3 |
Transfer | · Anwendung auf neue Kontexte
· sachliche oder persönlich-lebensweltliche Anwendung |
· Anschluss weiterer Kompetenzerwartungen an bisher erworbene Kompetenzen
· differenzierte sachliche oder persönlich-lebensweltliche Anwendung |
Kompetenzen stärken und erweitern |
· Überprüfung des Lernzuwachses und Lernfortschrittes im Vergleich zur Ausgangssituation
· ggf. Wiederholung der Phasen |
Ü 3-4 | ||
· Evaluation des Lernzuwachses
· Reflexion des gesamten Lernprozesses in der Sequenz · Beendigung der Einheit |
Lernen bilanzieren und reflektieren | ||
· Reflexion einzelner Schritte des Lernprozesses
· Feedback · Hausaufgaben, Organisation, Beendigung |
Orientierung geben und erhalten (fakultativ) | ||
Nachphase | · Hausaufgaben, Organisation Beendigung |
Man sieht an dem Vergleich: Viele Anteile überschneiden sich in beiden Phasenmodellen, einige sind beim kompetenzorientierten Phasenmodell neu hinzugekommen. Der Befund zeigt, dass beide Modelle in einigen Teilen harmonieren können, jedoch eine unterschiedliche Akzentuierung aufweisen wie oben beschrieben.
- Vor- und Nachteile beider Phasenmodelle
In der Praxis hat sich schnell gezeigt, dass beide Modelle Vor- und Nachteile haben. Dies betrifft strukturelle, systemische und auch persönliche Dimensionen:
Strukturell
Die Vorteile des themenbezogenen Phasenmodells sind, dass Inhalte didaktisch-methodisch angemessen aufbereitet und rhythmisiert werden. Die Konzentration auf eine Thematik folgt einem Spannungsbogen, der in sich geschlossen ist, vergleichbar mit einer Inszenierung wie etwa einem Film oder einem Theaterstück. Schmid nennt dies nicht zufällig die „Dramaturgie“ (Schmid 2012, 21) des Unterrichts und verweist dabei semantisch auf die Nähe zur Inszenierung. Die Nachteile des Modells liegen in dem Lerntempo der jeweiligen Schülerinnen und Schüler, da das Modell auf die Durchschnittsgruppe abhebt und Einzelne dabei übersehen werden können. Aufgrund der Linearität ist zyklische Wiederholung nur schwer möglich.
Die Vorteile des kompetenzorientierten Phasenmodell sind ihr Bezug auf die Individualität der Lernenden und ihr Arbeitstempo. Die Phasen werden den einzelnen Lernenden angepasst und nicht umgekehrt. Die Nachteile sind, dass für Einzelne ohne entsprechende individuelle Differenzierung Langeweile entstehen kann und auch die Inhalte nicht in einer gewissen Zeit durchgenommen werden können.
Systemisch
Neben diesen strukturellen Vor- und Nachteilen bestehen auch in der Praxis einige systemische Vorgaben und persönliche Gewichtungen beider Modelle. Das System Schule ist eher darauf hin angelegt, aufgrund der 45 oder 90 Minuten Taktung und des häufig fehlenden Klassenraumprinzips eine längerfristige Beschäftigung mit einem Thema, wie es das kompetenzorientierte Phasenmodell vorsieht, zumindest zu erschweren. Auch große Lerngruppen und eine Selektierung durch „leaning for the test“ unterstützten das themenbezogene Phasenmodell, während projektbezogenes Arbeiten das kompetenzorientierte Modell bevorzugt.
Persönlich
Daneben bestehen auch persönliche Präferenzen für je ein Modell bei den professionell Handelnden, sowohl in der Ausbildung an Universität und Seminaren als auch in der Praxis selbst. Die Verbreitung des themenorientierten Phasenmodells ist noch relativ hoch; auch die Namen des kompetenzorientierten Phasenmodells sind z.T. etwas konstruiert im Vergleich zum eingängigen themenorientierten Modell, so dass es auch hier zu Präferenzen kommen kann.
Das Fazit dieser Zusammenschau ist daher, dass das eine Modell das andere nicht ablösen, sondern ergänzen soll. Dies ist nicht ganz einfach, da beide Modelle nach unterschiedlichen Prinzipien funktionieren, jedoch auch Gemeinsamkeiten haben, auf die aufgebaut werden kann.
- Zusammenfassung
Die Ausführungen haben gezeigt: Die Orientierung an den Kompetenzen der Lernenden erfordert neue Elemente im (Religions-)unterricht, die stärker die tatsächliche Lernleistung der einzelnen Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe berücksichtigt. Dazu ist es auch notwendig, das bisherige Phasenmodell zu verändern und vor dem Hintergrund der schulbezogenen Praktikabilität die Rahmenbedingungen dafür anzupassen. Dies heißt nicht, dass das bisherige Phasenmodell ausgedient hat; es bleibt nach wie vor eine Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern, die vorgegebene Stunde sinnvoll zu strukturieren. Jedoch wird dieses Modell an einigen Stellen des Unterrichts um die kompetenzorientierten Elemente erweitert.
Die Professionalität von Lehrkräften besteht nun darin, beide Modell reflexiv zu verbinden: Einerseits einen strukturierten und rhythmisierten Unterricht zu planen; andererseits Elemente einzufügen, die stärker auf die individuellen Voraussetzungen und empirische Lernleistung der Schülerinnen und Schülern eingeht. Die Professionalisierung von Studierenden und Auszubildenden hin zu einem professionellen religionspädagogischen Habitus kann diese beiden Dimensionen berücksichtigen und zusammenbringen, um spätere Lehrkräfte gezielt auf die neuen Anforderungen des Berufsfelds vorzubereiten.
Literatur
Amt für Lehrerbildung (Hg.) 2011, Auf dem Weg zum kompetenzorientierten Unterricht – Lehr- und Lernprozesse gestalten. Ein Prozessmodell zur Unterstützung der Unterrichtsentwicklung, Frankfurt a.M.
Anderson, L.W./Krathwohl, D. 2001, A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing. A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Addison Wesley.
Gandlau, H. 42017, Wie Religion unterrichten? Grundlagen und Bausteine für einen qualifizierten Unterricht, München.
Heil, S. 2013, Religionsunterricht professionell planen, durchführen und reflektieren. Ein Leitfaden für Studium und Praxis, Stuttgart.
Heil, S. 2017, Der LehrplanPLUS für den Religionsunterricht. Kompetenzbegriff – Lehrplanstruktur – religionspädagogische Konsequenzen, in: Heil, S. (Hg.), Kompetenzorientiert Religionsunterricht planen. Grundlagen und Arbeitshilfen zum LehrplanPLUS für die 5. Jahrgangsstufe, Würzburg, 10-43.
Katholisches Schulkommissariat in Bayern (Hg.) 2018, Materialien für den Religionsunterricht an Fachoberschulen und Berufsoberschulen zum LehrplanPLUS. Katholischer Religionsunterricht Jahrgangsstufe 12, München.
Kunkel, G. 2018, Was hat sich durch den LehrplanPLUS für das Fach Katholische Religionslehre an den bayerischen Grundschulen verändert? – Gedanken und Beobachtungen eines Seminarleiters, in: RU-Kurier 51, 4-11.
Riegel, U. 22014, Religionsunterricht planen. Ein didaktisch-methodischer Leitfaden für die Planung einer Unterrichtsstunde, Stuttgart.
Riegger, M. 2019, Handlungsorientierte Religionsdidaktik. Teil 1: Haltungen, Wirkungen, Kommunikation, Stuttgart.
Scheuchenpflug, P. 2020, Artikulationsschemata, in: Wirelex (https://www.bibelwissenschaft.de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/wirelex/sachwort/anzeigen/details/artikulationsschemata/ch/d6fae6f1d18c8ddb5ab1631e7027ba6b 22/09/2021).
Schmid, H. 2012, Die Kunst des Unterrichtens. Ein praktischer Leitfaden für den Religionsunterricht, München.
Schwaller, J. 2018, Unterricht kompetenzorientiert aufbauen – Überlegungen zur Strukturierung einer Religionsstunde, in: IfR 73, 39-48.