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Wieviel ist genug? – Philosophieren mit Kindern

Praxisplus Fastenzeit/Ostern – 7 Methoden für einen zeitgemäßen Religionsunterricht in der Fasten- und Osterzeit. Diesmal: Philosophieren mit Kindern. Von Nicola Velte-Ries.


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Der Religionsunterricht bietet Raum für große Fragen. Wer bin ich? Wozu bin ich auf der Welt? Was ist gut und böse? Kinder stellen große Fragen, die einen Schatz für die Suche nach Antworten bereithalten – wenn wir diese ernst nehmen und bewusst von ihnen ausgehen.

„Wer Kindern durch Ermutigung und Würdigung Raum zum Fragen gibt, der entdeckt in ihren Fragen die ,großen Fragen´ der Menschheit“ (Rainer Oberthür, Kinder und die großen Fragen. Ein Praxisbuch für den Religionsunterricht, München 1995, S.14).

In einem Religionsunterricht, der sich an den Fragen der Lernenden orientiert und diese initiiert, sieht der Religionspädagoge Chancen, über Themen mit Kindern vertieft nachzudenken und ins Gespräch zu kommen. Fragen zu stellen steht dabei bewusst im Fokus, statt vermeintlich vorschnell richtige Antworten zu geben. Denn es gibt Fragen, auf die es nicht die eine und schon gar nicht die eine richtige Antwort gibt. Vielmehr bleibt es ein Ringen um die Frage selbst und das Ziel, Aspekte jener Frage vielschichtig wahrzunehmen, um individuelle Antworten zu ermöglichen.

Bild: Nicola Velte-Ries

Die Methode „Philosophisches Gespräch“ erlaubt es Kindern, großen Fragen nachzugehen.

Die philosophische Frage ist dabei keine eindeutig wissenschaftlich und eindimensional beantwortbare Frage – vielmehr handelt es sich um eine Frage, die Offenheit, Mehrdimensionalität und verschiedene Reflexionsebenen birgt.

„Wie viel ist genug?“ kann eine solche große Frage lauten, auf die sich Kinder im philosophischen Gespräch einlassen. Gerade jetzt in der Fastenzeit lohnt das Nachdenken über dieses Thema besonders.

Ablauf des Philosophischen Gesprächs:

Die Kinder sitzen im Kreis, in der Mitte findet sich auf einem Tuch eine kleine Truhe. Ein Kind öffnet diese, holt eine Sanduhr, den Gesprächsball sowie einen alten Schlüssel hervor. Gemeinsam wird der Raum der Gedankenwelt aufgeschlossen. Dieser Rahmen schafft einen routinierten Einstieg für das gemeinsame Philosophieren.

Bild: Verlag Sauerländer

Ausgangspunkt für das philosophische Gespräch bietet das Bilderbuch „Viel zu viel Zeug“ (Emily Gravett, Viel zu viel Zeug. Verlag FISCHER Sauerländer: Frankfurt am Main 2021). Zwei Elstern schleppen unaufhörlich ihre Schätze ins Nest, um dieses für ihre Nachkommen noch gemütlicher zu gestalten. Ein Kinderwagen, eine Lichterkette und schließlich ein Auto – immer mehr Dinge häufen sie in ihrem Zuhause über den Baumwipfeln an bis die liebevoll gestaltete Heimat unter der Fülle der Dinge zusammenbricht. Das Wichtigste, die Eier, sind, begraben unter einem Haufen aus Gegenständen, unauffindbar.

Im Sitzkreis verliest die Lehrkraft das Bilderbuch und hält schließlich inne. Sie legt das Buch ab. „Wie viel ist genug?“ fragt die Lehrkraft in die Runde und legt die zugehörige Wortkarte in die Mitte. Das philosophische Gespräch wird eröffnet.

„Genug ist, wenn ich zufrieden bin“, könnte die Antwort eines Kindes lauten. „Genug ist, wenn alle etwas bekommen“, würde möglicherweise ein anderes Kind hinzufügen. Die Lehrkraft versucht mit neuen Impulsen das Gesagte zu hinterfragen, zu vernetzen oder zu konkretisieren. „Kannst du ein Beispiel dafür finden?“ oder „Sind die anderen dann auch zufrieden, wenn du es bist?“, könnte ein weiterführender Impuls lauten, der als Motor für das weitere Gespräch dient. Auf diese Weise bahnt sich dieses seinen Weg ohne auf ein bestimmtes inhaltliches Ziel hin ausgerichtet sein zu müssen. Teil der Stundenvorbereitung zum Philosophierens ist die Erstellung einer Gedankenkarte. Diese visualisiert vielfältige Aspekte eines Themas und dient der moderierenden Lehrkraft während des Gesprächs als Unterstützung dabei, Beiträge und verschiedene Aspekte durch Impulse zu vertiefen oder miteinander zu verbinden. Eine Beispiel-Gedankenkarte können Sie hier herunterladen.

Bild: Nicola Velte-Ries

So lenkt beispielsweise der Impuls „Ich frage mich, wovon es eigentlich genug geben kann“, das Gespräch weiter und eröffnet eine neue inhaltliche Facette im Gespräch. „Ich kann eigentlich nie genug Spielsachen haben“, könnte eine Antwort lauten. „Zeit habe ich eigentlich nie genug“, möglicherweise eine andere. „Dann sind das also nicht immer Dinge, die wir uns für Geld kaufen können, von denen wir nicht genug haben“, lautet beispielweise ein Impuls, der darauf zielt, das Gesagte zu vernetzen oder Unterschiede herauszustellen.

Die GesprächsteilnehmerInnen entscheiden, welche weiteren thematischen Aspekte bedacht werden. Die Frage der Nachhaltigkeit, der Handlungskonsequenzen und deren Verantwortung, aber auch die Frage nach Kriterien und Dimensionen können hinterfragt werden.

Gegen Ende des Gesprächs wird die Sanduhr umgedreht und signalisiert, dass das philosophische Gesprächs sich dem Ende zuneigt. Letzte Gedanken werden eingebracht bevor der Gesprächsball seinen Weg zurück in die Truhe findet.

In einer kurzen Daumenreflexion schätzen sich die Kinder per Handzeichen bei geschlossenen Augen hinsichtlich der eigenen Selbstbeteiligung und des individuellen Lernzuwachses selbst ein. Hierzu dienen die Impulse: „Wir haben uns als Gruppe heute gut zugehört“ oder „ich habe heute einen neuen Gedanken gefunden“.

Anschließend setzen sich die Lernenden auf kreative Art noch einmal vertiefend mit der Frage „Wie viel ist genug?“ auseinander.

Bild: Nicola Velte-Ries

In Form einer Theke wählen die Kinder aus verschiedenen methodischen Angeboten eine Verarbeitungsweise aus. Die Symbolkartei von Rainer Oberthür (Rainer Oberthür: Die Symbolkartei. 88 Symbol- und Erzählbilder für Religionsunterricht und Gruppenarbeit. München: Kösel 2012) lädt beispielsweise dazu ein, dass sich die Kinder jeweils eine für sie treffende Karte zur philosophischen Frage auswählen und eigene Gedanken dazu verfassen. Hier können Sie ein Arbeitsblatt dazu herunterladen.

Auch in Form eines Akrostichons (für ein passendes Arbeitsblatt dazu bitte hier klicken) oder wahlweise einer anderen Gedichtform lassen sich Gedanken zur philosophischen Frage noch einmal intensivieren.

Der kreativen Vielfalt sind hierbei keine Grenzen gesetzt; auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen „Nest“ (Kinderzimmer) und dem, was darin am Wichtigsten ist und unter einem Berg von Zeug verloren geht, stellt eine denkbare Verarbeitungsform dar.

In einer Abschlussrunde reflektieren die Kinder mit Hilfe kleiner Gegenstände ihren Lernzuwachs und offene Fragen, an denen weitergedacht werden möchte. Schließlich lädt die philosophische Frage stetig zum Dranbleiben, Weiterdenken und Ringen, um eine Antwort, ein.

 

 

Weiterführende Informationen zur Methode:

Literatur zum Thema:

 

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