Information und Fortbildung

Mit dankbarem Blick zurück

Ulrich Geißler, Hermann Nickel und Thomas Ruderisch: Drei engagierte Mitarbeiter der Hauptabteilung gehen im Sommer bzw. Herbst 2021 in den Ruhestand. Ein willkommener Anlass, zurück- und in die Zukunft zu blicken. Die Interviews führte Anja Legge.

Ulrich Geißler, Schulpastoral

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Foto: Privat

Sie kennen den Bereich der Schulpastoral seit seinen Anngen. Was hat sich seitdem verändert?

Seit den 1990er Jahren ist die Vielfalt und Heterogenität in Gesellschaft und Schule noch größer geworden. Der Abstand von Kindern und Jugendlichen zu Glauben und Kirche hat deutlich zugenommen. Der Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche hinterlässt Spuren. Aus meiner Sicht ist Schulpastoral noch wichtiger geworden. Hier gibt es keinen Lehrplan wie im Religionsunterricht, wir stehen in Kontakt zu vielen Kindern, Jugendlichen, Lehrkräften und Eltern und stellen den Menschen in den Mittelpunkt – mit seinen Erfahrungen, Wünschen, Sorgen und Nöten. In Projekten und persönlicher Begleitung wird die Frohe Botschaft Jesu Christi auch für die erfahrbar, die in Distanz zur Kirche leben.

Wie haben Sie die aktuell etwa 40 SchulseelsorgerInnen an den unterschiedlichen Schulen unterstzen können?

All diese KollegInnen haben zunächst eine zweijährige Weiterbildung absolviert. Wie Schulpastoral dann umgesetzt wird, sieht an jeder Schule anders aus. Wir unterstützen dabei, die eigene Schule zu analysieren und daraus Angebote zu entwickeln. Wir stärken die Kompetenz für Gesprächsführung und Beratung und begleiten etliche staatliche Lehrkräfte. Seit 20 Jahren bieten wir eine Fortbildung zum Thema „Tod und Trauer in der Schule“ an, und unser Krisenteam kommt auch zu Einsätzen an andere Schulen. Bei Veranstaltungen wie dem beliebten Schulpastoral-Tag vermitteln wir spirituelle Ermutigung und stärken Kompetenzen.

An welche Erfahrung erinnern Sie sich besonders gerne? Was macht Ihnen Mut r die Zukunft von Glaube und Kirche?

Sehr gerne erinnere ich mich an den frühmorgendlichen Schulkreuzweg von Realschule und Gymnasium in Marktheidenfeld, an den Dank eines Schulleiters, an dessen Schule wir mithalfen den Tod einer Schülerin zu bewältigen, an den „Tag der Ernte“, wenn die TeilnehmerInnen am Ende einer Weiterbildung ihr Projekt präsentieren, an die Feiern des Leitungsteams nach einem gelungenen Schulpastoral-Tag und viele bereichernde Gespräche mit meiner Kollegin Helga Kiesel. Die enga- gierten KollegInnen in der Jugendarbeit, Pfarreien und Schulen machen mir Mut für die Zukunft. Nach wie vor ist die Botschaft wertvoll, unser Wirken hilfreich und sinnvoll. Trotz Reformstau und Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche hat mich der Beruf des Pastoralreferenten immer positiv erfüllt. Gleichzeitig wünsche ich mir von Herzen, dass noch in meiner Lebenszeit Reformen verwirklicht werden, die mehr Synodalität, Gewaltenteilung und Gleichberechtigung ermöglichen.

Thomas Ruderisch, Religionsunterricht an Berufsschulen

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Foto: Privat

Auch an Berufsschulen haben die Auszubildenden Religionsunterricht. Warum ist das sinnvoll?

Junge Erwachsene in Ausbildung leben zunehmend in unsicheren Lebenszusammenhängen. Darin persönliche Orientierung und Standorte zu finden, kann der Religionsunterricht ermöglichen. Indem der Unterricht Themen aus der jugendlichen Lebenswelt aufgreift, kann er die persönliche Entwicklung bereichern. Dies können Fragen nach der Wertschätzung von Arbeit oder Nächstenliebe am Arbeitsplatz ebenso sein wie die großen Sinnfragen des Lebens.

Was brauchen junge Menschen heute? Und welche besonderen Herausforderungen bringt das r Religionslehrkräfte an Berufsschulen mit sich?

Junge Menschen wollen ernst genommen werden, sie brauchen Antworten auf ihre ganz persönlichen Fragen. Die Besonderheit des Religionsunterrichts liegt darin, dass dort diese Fragen gestellt werden können. Für die Lehrkraft heißt das, dass es nicht in erster Linie darum geht, ein vorgegebenes Ziel zu erreichen, sondern Angebote zu machen, damit die jungen Leute ihre Fragen stellen können und dann gemeinsam und aus sich selbst heraus Antworten und Lösungen entwickeln.

Was hat sich im Laufe Ihrer beruflichen tigkeit verändert?

Die größte Veränderung war vermutlich der Einzug der Kompetenzorientierung. Statt Wissen anzuhäufen und Lerninhalte abzuhaken, sollen die SchülerInnen Kompetenzen erwerben, selbst aktiv werden, gestalten, reflektieren, Wissen beschaffen und damit umgehen können. Zum Glück pendeln sich Neuerungen meist irgendwo in der Mitte ein ohne viel Schaden anzurichten.

Gerade an beruflichen Schulen gehören heute viele SchülerInnen dem Islam an. Wie trägt man dieser Entwicklung Rechnung?

Durch die Einrichtung von islamischem Religionsunterricht. Bisher besuchen muslimische Jugendliche das Fach Ethik. Ab Herbst 2021 soll an vielen Schulen in Bayern ein Wahlpflichtfach „Islamischer Unterricht“ eingerichtet werden. Für das Selbstverständnis in einer offenen demokratischen Gesellschaft gehört islamischer Unterricht einfach dazu. Für die Identität junger Muslime ist das enorm wichtig. Wo das noch nicht umsetzbar ist – wie beispielsweise an den Berufsschulen, sollte der Ethik-Unterricht umfangreicher angeboten werden.

Herrmann Nickel, Mentorat und Supervision

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Foto: Privat

Warum sind MentorInnen, die Studierende durch das Studium begleiten, gerade in der Katholischen Religionslehre so wichtig?

Die angehenden Religionslehrkräfte werden ja mit zwei Dingen konfrontiert: Sie erlernen die Wissenschaft und sollen zugleich Zeugnis geben durch ihre Person. Sie müssen also von ihren eigenen Erfahrungen reden, und das muss geübt und reflektiert werden. Zugleich sind die Biographien künftiger Religionslehrkräfte heute vielfältiger – mit Kurven, Brüchen und Neuanfängen. Das Mentorat ist ein geschützter, bewertungsfreier Raum, in dem die jungen Leute Rückmeldung bekommen ohne zensiert zu werden. Mit dem Mentor können sie Erfahrungen mit der persönlichen Religiosität und der Kirche besprechen, und sie werden in ihrer Spiritualität gestärkt. Es geht darum, Menschen in ihren Lebensäußerungen zu begleiten, in ihren Ideen, Sehnsüchten, ihrer Sinnsuche. Das ist heute umso wichtiger, weil die Lebenswelt der Studierenden und die binnenkirchlichen Vorstellungen weit auseinanderdriften.

Auch weiterhin sind Sie als Supervisor r haupt und ehrenamtliche MitarbeiterInnen tig. In welchen typischen“ Konfliktfeldern wird Ihre Hilfe benötigt?

Bei Supervision wird immer zuerst an Konflikte gedacht, aber hier geht es um viel mehr. Auf den Menschen kommen viele Herausforderungen zu, Aufgabenfelder verändern sich, viele Werte der Kirche sind meilenweit von den Realitäten entfernt. Zugleich verlangt Kirche viel Solidarität von ihren MitarbeiterInnen. Mit Supervision können wir Menschen unterstützen, damit sie wachsen und sich entwickeln können. Im Gespräch mit Religions- lehrerInnen geht es häufig darum, wie Religionsunterricht heute möglich ist. Und natürlich gibt es auch Konflikte: unter KollegInnen, mit neuen, manchmal nicht gewollten Arbeitsfeldern, mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit dem Leitungsverhalten, Teambildung oder Arbeitsmotivation.

Warum sollte gerade das Beratungs und Begleitungsangebot in Zeiten knapper Kassen erhalten bleiben?

Die Wandlungsprozesse in der Kirche sind nicht nur auf der organisatorischen und ökonomischen Ebene zu finden: Die größere Herausforderung ist doch, wie es mit dem Glauben weiter geht und wie Religiosität und ökonomisches Handeln zusammenpassen. Zugleich erlebe ich, dass Kirche an den Rändern sehr lebendig ist, etwa in der Flüchtlingsarbeit, bei der Schwangerenberatung, in Eheberatung und Supervision. Dort erfahren Menschen sehr konkret und unmittelbar das Engagement der Kirche – unabhängig ob sie dazugehören oder nicht. Kirche wird hier nicht bevormundend erfahren, sondern als helfende Hand, der es wichtig ist, dass Menschen sich entwickeln und entfalten. Genau das könnte unser Rettungsanker für die Zukunft sein.

 

 

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