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Stärkung des konfessionellen Religionsunterrichts an Berufsschule (StReBe)

Ein Bottom-up-Projekt an Berufsschulen in Bayern. Von Laura Rudroff, Konstantin Lindner und Henrik Simojoki

Das komplexe, heterogene Bedingungsgefüge an bayerischen Berufsschulen führt mancherorts zu großen Herausforderungen in Bezug auf eine funktionierende Erteilung von konfessionellem Religionsunterricht an dieser Schulart: Verschiedene Gründe struktureller, organisatorischer und religionsdemographischer Art können dafür angeführt werden, dass das Zustandekommen dieses Unterrichtsfaches an manchen Berufsschulen nicht vollumfänglich gewährleistet werden kann. Das Schulprojekt „Stärkung des konfessionellen Religionsunterrichts an Berufsschulen – StReBe“ reagierte auf diese Ausgangslage, indem an ausgewählten Schulen auf Basis einer empirisch gestützten und mehrperspektivisch angelegten Bestandsaufnahme lokal passende, rechtlich abgesicherte und hinreichend flexible alternative Organisationsformen von konfessionellem Berufsschulreligionsunterricht (BRU) entworfen, erprobt und wissenschaftlich evaluiert wurden.

1. Kontextualisierungen

schen Forschungskontext bislang eher seltenen kooperativen Konstellation: Es ist als Bottom-up-Projekt angelegt, d.h., die alternativen Organisationsformen wurden vor Ort entfaltet und nicht top-down vorgegeben. Die Pointe des Schulprojekts liegt in der konsequenten Orientierung an den Erfahrungen, Potenzialen und Ressourcen der Projektschulen vor Ort, die für eine kontextgerechte Weiterentwicklung des BRU fruchtbar gemacht werden konnten.

StReBe wird getragen vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und vom Katholischen Schulkommissariat in Bayern. Das StReBe-Projekt wurde durchgängig wissenschaftlich begleitet: Im ersten Projektzeitraum (2019–2023) leistete dies eine am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Praktische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelte Forschungsgruppe aus evangelischen und katholischen Religionspädagoginnen und -pädagogen. Beteiligt waren im ersten Zeitraum acht Berufsschulen, die Schwierigkeiten hatten, den konfessionellen Religionsunterricht in seiner herkömmlichen, nach Konfessionen getrennten Form zu organisieren. Diese StReBe-Projektschulen wurden im Rahmen eines vom bayerischen Kultusministerium initiierten Ausschreibungsverfahrens gewonnen, auf welches hin sich eine größere Zahl an Schulen beworben hatte. Bei der Auswahl der Projektschulen spielten insbesondere folgende Faktoren eine Rolle: die regionale Verteilung nach Regierungsbezirken, Stadt-Land-Differenzen, konfessionsbezogene Majoritäts-Minoritäts-Situationen, Schulgröße, Schulprofil, Reformbedarf etc.

Die StReBe-Studie war im ersten Projektzeitraum in drei Phasen angelegt: Eine Basiserhebungsphase im Schuljahr 2019/2020 zielte auf eine empirisch gestützte Bestandsaufnahme der Situation des BRU aus der Sicht zentraler Akteur:innen vor Ort: Religionslehrkräfte beider Konfessionen, die Schulleitungen sowie ausgewählte Schüler:innen wurden mittels Interviews befragt. Zudem konnten die Projektmitarbeiterinnen im Rahmen von teilnehmender Beobachtung wertvolle Einblicke in das Bedingungsgefüge gewinnen, welches das Funktionieren des BRU prägt. Die Ergebnisse dieser Basiserhebung lieferten das Fundament für eine mehrjährige, wissenschaftlich begleitete lokale Konzeptentwicklungsphase, in welcher die Projektschulen mithilfe wissenschaftlicher Begleitung lokale Organisationsformen von BRU entwickelten und durchführten. Mögliche Alternativen wurden durch ein kultusministerielles Schreiben rechtlich abgesichert, das in Rücksprache mit den beiden beteiligten Kirchen erstellt worden ist. Die Covid-19-Pandemie sorgte dafür, dass aufgrund der nicht regulären Unterrichtsbedingungen in den Online-Schooling-Phasen das ursprünglich auf drei Jahre angelegte StReBe-Projekt um ein Jahr verlängert worden ist. In einer Konzeptevaluierungsphase im Frühjahr 2022 lag der Fokus auf der Evaluation der lokal entwickelten Organisationsformen von konfessionellem BRU, wobei sich das Modell „konfessionelle Kooperation im Bildungsgang“ als besonders passend für berufsschulische Kontexte erwies. Dieses Modell wird nun im zweiten StReBe-Projektzeitraum, der ab Schuljahr 2023/2024 beginnt, an insgesamt zwanzig Projektschulen einer ausgeweiteten Erprobung und wissenschaftlichen Evaluation unterzogen.

2. Basiserhebung. Relevante Erträge

In der Basiserhebungsphase wurden verschiedene Herausforderungen mittels qualitativ-empirischer Forschung identifiziert, die die Organisationskomplexität des BRU erhöhen. (Für eine vertiefte Darstellung der Ergebnisse der Basisstudie vgl. Simojoki, H./Lindner, K./Pflaum, L./ Endres, M. (2022), Wie der konfessionelle Religionsunterricht vor Ort gestaltet wird. Ein Bottom-up-Zugang zur Komplexität kooperativer Organisationspraktiken an Berufsschulen, in: Religionspädagogische Beiträge. Journal for Religion in Education 45, H. 2, 61–73) Beispielhaft seien genannt: (1) schulartspezifische Herausforderungen, u. a. die Option für berufsschulberechtigte Schüler:innen, sich bis zu zwei Wochen nach Schuljahresbeginn vom Religionsunterricht abzumelden; (2) personelle Herausforderungen, u.a. die große Bedeutung kirchlicher Religionslehrkräfte für die Aufrechterhaltung des Unterrichtsangebots, gleichzeitig bedingt deren Einsatz an verschiedenen Schulen einen Priorisierungszwang des BRUs bei der Stundenplangestaltung; (3) Herausforderungen im Verhältnis zum Ethikunterricht, insofern ein fehlendes flächendeckendes Angebot von Ethikunterricht zu Freistunden für nicht- und andersreligiöse Schüler:innen führt, was wiederum auch die Bereitschaft der konfessionszugehörigen Lernenden fördert, sich vom BRU abzumelden; (4) hoher Verwaltungsaufwand bei der Regelung der Anträge auf Abmeldung vom oder Anmeldung in den BRU, was u.a. im Lehrkräftekollegium zur Schwächung der Reputation des BRU führt.

Diese BRU-Organisationsschwierigkeiten haben nicht die eine Ursache. Vielmehr handelt es sich um ein Bündel an Herausforderungen, die sich wechselseitig verstärken. Bei der Entwicklung alternativer Organisationsformen von BRU galt es somit, in Abwandlung des KISS-Prinzips folgende Maxime zu berücksichtigen: „so einfach wie möglich, so komplex wie nötig“.

3. Evaluation der umgesetzten Organisationsformen. Ausgewählte Einblicke

Auf Basis der Erkenntnisse der Basiserhebung wurden im Rahmen der Konzeptentwicklungsphase vier vom Kultusministerium im Einklang mit den beteiligten Kirchen genehmigte, alternative Organisationsformen von konfessionellem Religionsunterricht an den Projektschulen implementiert: konfessionell-kooperativer BRU mit Lehrer:innentausch zum Halbjahr, konfessionellkooperativer BRU mit Lehrer:innentausch zum Schuljahresende bzw. im Bildungsgang; BRU in Team-Teaching mit evangelischer und katholischer Religionslehrkraft; BRU mit Projektcharakter (vgl. KMS VI.4-BS9402.1/4/46).

Nicht bewährt haben sich im Laufe der Umsetzung die StReBe-Organisationsformen, die punktuell auf die Kooperation zwischen zwei Lehrkräften der beiden beteiligten Konfessionen auf Klassenebene gesetzt haben: Team-Teaching oder projektorientierter BRU führten zu einem erhöhten Organisationsaufwand, sind auf Beziehungsebene voraussetzungsreich und lassen sich gesamtschulisch nur schwer implementieren.

Die „konfessionelle Kooperation im Bildungsgang“ dagegen wurde positiv evaluiert: Konfessionell-gemischte Schüler:innengruppen werden dabei von einer konfessionellen Lehrkraft unterrichtet. Dabei ist es unerheblich, ob die Lehrkraft der Majoritätsoder der Minoritätskonfession der Schüler:innengruppe angehört. Vielmehr ist zu gewährleisten, dass jede:r konfessionelle Schüler:in im Verlauf ihrer/ seiner Berufsschullaufbahn von einer Lehrkraft ihrer/seiner Konfession unterrichtet wird. Möglich ist dies durch einen Lehrkraftwechsel, idealerweise zum neuen Schuljahr.

Besonders positiv wurden von den befragten Projektlehrkräften, Schüler:innen und Schulleitungen folgende Aspekte dieser alternativen Organisationsform von BRU hervorgehoben: die flächendeckend leichtere Organisierbarkeit des BRU, weniger Unterrichtsausfall, mehr effektive Unterrichtszeit (vor allem auf Seiten der Minoritätskonfession), verbesserte Reputation des BRU bei Schulleitung und Lehrkräftekollegium, die personelle Repräsentation beider Konfessionen an der jeweiligen Schule sowie die bessere und verlässlichere Organisation der Religionsgruppen – insbesondere auf Seiten der Minoritätskonfession. Der anfänglich befürchtete Rückgang von Religionsstunden ist nicht eingetreten, bisweilen kann mit dieser Organisationsform sogar für mehr Schüler:innen BRU angeboten werden. Die befragten Schüler:innen heben die positiven Aspekte der gemischtkonfessionellen Lerngruppen explizit hervor: eine vertraute Atmosphäre in ihrer gewohnten Klassengemeinschaft, die meist größere und dadurch produktivere Lerngruppe sowie die damit einhergehenden, verstärkten Möglichkeiten zum diskursiven Austausch. Als Option für extreme Diasporakontexte hat sich zudem der Religionsunterricht in erweiterter Kooperation (gemischt-konfessionelle Klassenzusammensetzung ohne Lehrkräftetausch) bewährt, der gesamtschulisch von Lehrkräften sowohl der Majoritäts- als auch der Minoritätskonfession getragen wird.

Insgesamt gilt es zu berücksichtigen, dass die in vorliegendem Beitrag präsentierten Ergebnisse im Rahmen qualitativ-empirischer Erhebungen an bayerischen Berufsschulen gewonnen worden sind, die mit den bestehenden Organisationsstrukturen von konfessionellem BRU zu kämpfen hatten. Die Ergebnisse sind also nicht repräsentativ für den BRU aller bayerischer Berufsschulen. Gleichwohl handelt es sich dabei, wie eingangs erwähnt, nicht um Einzelfälle. Im Gegenteil: Da die Organisationsschwierigkeiten beim konfessionellen BRU flächendeckend und schulartübergreifend zunehmen, dürften sich die erfassten und beschriebenen Herausforderungen bei der Beibehaltung der bestehenden Strukturen zukünftig häufen. Für deren fundierte Bearbeitung ist die „konfessionelle Kooperation im Bildungsgang“ eine echte Perspektive für BRU, die zu den Berufsschulen in Bayern passt und dieses Unterrichtsfach stärkt.

Weitere Informationen zum StReBe-Projekt und zur wissenschaftlichen Begleitung des ersten Projektzeitraums finden sich unter https://www.unibamberg.de/relpaed/forschung/projekte/strebe/.

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